Dass die Handelsbeziehungen der Schweiz zur nachhaltigen Entwicklung der Land- und Ernährungswirtschaft beitragen, wurde 2017 mit Artikel 104a in der Bundesverfassung verankert. 78 Prozent der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben dem zugestimmt. Die Haltung von Kilian Baumann, Nationalrat und Präsident Kleinbauern-Vereinigung VKMB, ist klar: «Es ist endlich an der Zeit, dass dieser klare Entscheid auch in die gesetzlichen Grundlagen aufgenommen und damit umgesetzt wird. Die Schweiz kann damit eine nachhaltige Produktion im Inland und auch weltweit stärken.»
EU geht voran – Handlungsbedarf für die Schweiz
Nachdem die EU einen Grenzausgleichsmechanismus im Sinne eines Klimazolls beschlossen hat, gerät die Schweiz unter Zugzwang. Konkret hat die EU eine Importabgabe auf klimaschädliche Produkte aus Klimastaaten eingeführt und die Schweiz damit bereits überholt. Bei der Anpassung der ökologischen Anforderungen der landwirtschaftlichen Produktion werde immer wieder und zu Recht auf die Problematik der Importe verwiesen, so Baumann. Diese sind häufig günstiger, da sie nicht unsere Produktionsstandards in den Bereichen Ökologie und Nachhaltigkeit erfüllen müssen. Billigimporte unterlaufen so die Anstrengungen von uns Bäuerinnen und Bauern und setzen uns unter wirtschaftlichen Druck.
WTO-konforme Umsetzung möglich
«Anders als immer wieder behauptet, ist eine WTO-konforme Umsetzung sehr wohl möglich. Bei den meisten Agrargütern wird gegenwärtig nicht einmal der Spielraum bei den gebundenen Zöllen genutzt », betont Baumann und führt aus: «Das passende Instrument, um diesem Missstand zu begegnen, ist der Grenzschutz für Agrargüter. Gegenwärtig dienen Zollansätze vor allem dem Schutz der einheimischen Produktion. Sie bieten jedoch auch einen geeigneten Hebel, um gezielt die nachhaltige Entwicklung des schweizerischen Landwirtschafts- und Ernährungssystems zu fördern, indem Zollansätze an Nachhaltigkeitskriterien geknüpft werden.»
Nachhaltige Schweizer Produktion und Handel als Ergänzung
Dr. iur. Elisabeth Bürgi Bonanomi forscht und lehrt als Rechtswissenschaftlerin am Centre for Development and Environment (CDE) der Universität Bern und leitet den Bereich Nachhaltigkeitsgouvernanz. Als wichtiges Forschungsfeld erarbeitet sie Grundlagen für einen nachhaltigen globalen Agrarhandel. Wichtig sei es für die Schweiz, ihren Schutzraum gegen innen für die heimische Landwirtschaft – etwa durch Zölle – neu zu definieren und diese gleichzeitig auf Nachhaltigkeitsziele auszurichten. Elisabeth Bürgi Bonanomi ergänzt: «Auf dieser Grundlage liessen sich der Agrarhandel aktiver gestalten, neue Partnerschaften andenken und nachhaltige Prozesse anderswo effektiv fördern.»
Zusammen mit einer Gruppe von elf weiteren Expertinnen und Experten hat sie einen Vorschlag für ein «Hypothetisches Bundesgesetz über den nachhaltigen Agrarhandel» ausgearbeitet. Der Vorschlag beschreibt in konkreter Gesetzessprache, wie der Marktzugang zu besonders nachhaltigen Produkten gefördert und jener zu besonders schädlichen Produkten erschwert werden könnte. Der Vorschlag nimmt Rücksicht auf Grundsätze der WTO – wie die Prinzipien der Nicht-Diskriminierung – und würde Lösungen erlauben, die kontextgerecht wären.
Öffentliche Beschaffung in der Pflicht
Das am 21. Juni 2019 vom Parlament verabschiedete Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) schafft neue Möglichkeiten für sozial und ökologisch verantwortungsvollen Einkauf. Während des zehn Jahre dauernden Revisionsprozesses hat sich ein Paradigmenwechsel zugunsten von Nachhaltigkeit und Qualität durchgesetzt.
Die Dachorganisation Swiss Fair Trade hat sich im Rahmen der NGOKoalition für diese Änderung stark eingesetzt. Das neue Gesetz schafft damit endlich die nötige Rechtssicherheit, damit Beschaffungsstellen in Zukunft sozial nachhaltig beschaffen können. Zudem kann bei den Zuschlagskriterien das Kritierium «Fair Trade» spezifisch eingefordert werden.