Mit einer verstärkten westeuropäischen Nachfrage nach ukrainischen Agarprodukten gewinnt die verstärkte Ausschiffung über die Ostsee-Häfen an Bedeutung. Logistikalternativen zur traditionellen, aber immer noch stark eingeschränkten Schwarzmeer-Route kommt eine grosse und wachsende Bedeutung zu
Hier kann Anna Nikova, Direktorin des Unternehmens UAB Global Ocean Link Lithuania (GOL LT) Unterstützung bieten: «GOL LT wurde 2017 in Vilnius gegründet, 2022 gefolgt von GOL Poland in Gdansk (Danzig). Unsere Wurzeln liegen in der Ukraine, wo unsere Muttergesellschaft 2009 in Odesa/O eca (ukrainische Schreibweise) gegründet wurde.» Die Unternehmensgruppe umfasst heute rund 200 Beschäftigte. GOL bietet einen umfassenden Logistik-Service für den intermodalen Gütertransport mit der sequenziellen Nutzung mehrerer Verkehrsträger. Bereits anfangs 2020 haben Global Ocean Link Ukraine und Lithuania erfolgreich einen Containerzugdienst zum CTT-Terminal in Rotterdam, Niederlande, getestet.
Härtetest bestanden – Logistik im Kriegsmodus
Anna Nikova erinnert sich an die erste Zeit des russischen Angriffskriegs im Februar 2022. «Nobody was ready to this in the first shock period. Looking back a year afterwards with a positive spirit we realize: With our logistics options we could really take a supportive role for our partners!»
Zeitweise war der Transport via Strasse extrem schwierig. Anna Nikova beschreibt die dramatische Situation: «Durch den direkten Beschuss durch die russische Armee wurde dies extrem gefährlich, und Transportfachkräfte waren entsprechend nur eingeschränkt verfügbar. Viele verhielten sich jedoch echt heldenhaft und riskierten ihr Leben, um ihre Ware ans Ziel zu bringen.»
Zu Beginn des russischen Angriffskriegs stauten sich die Lastwagen an den Grenzübergängen zur sicheren EU-Nachbarschaft kilometer- und tagelang. Durch die verschiedenen Alternativen und einen routinierten Umgang mit der Situation hat sich die Lage etwas normalisiert. Anna Nikova gibt eine Einschätzung: «Grundsätzlich sind die Kapazitäten auf der Strasse eingeschränkt. Phasenweise waren die Kosten aufgrund der Situation sehr hoch, auch aufgrund hoher Treibstoffpreise. Mittlerweile hat sich die Kostensituation im Vergleich zur Schiene wieder ausgeglichen. Ein grosses Problem sind nach wie vor die verschärften Konditionen seitens Banken und Versicherungen aufgrund der erhöhten Risiko-Situation. Hier würden wir uns mehr Solidarität und Verständnis für die aktuelle Situation wünschen.»
Vertrauen und Respekt stärkt Logistikpartnerschaften
Anna Nikova und ihr Team sind stark als Logistikpartner der ukrainischen Biobranche engagiert: «As one of our specialities we are a reliable partner for the organic producers. I’m ‹organic at heart› and as a Ukrainian especially to the organic sector in my native country – but also worldwide! We appreciate especially our European partners in the organic area for their trust and cooperation. It’s about more than just logistics – this is a strong chain of trust and respect.»
Auf Kriegs- und Krisenmodus vom Anbau bis zur Lieferlogistik umstellen musste auch das Team der Agroindustrial Group Arnika Organic. Arnika Organic steht für einen Verbund von auf biologisch bewirtschafteten Agrarbetrieben in der Poltawa-Region – auf halber Distanz zwischen Kiew und den umkämpften Regionen im Süden und Osten. Mit insgesamt rund 18 000 Hektaren mit biozertifizierter Bewirtschaftung zählt Arnika Organic zu den grössten Biobetrieben Europas.
Organic Ukraine: Orders – not regrets!
«We don’t need regrets, we need respect. We do not expect your support just because of war. We ask for your consideration, because we are creators and innovaters and producers and exporters despite the war», betont Anastasiia Bilych. Die Fachfrau mit einem Ph. D. in «Sustainable Development in Agribusiness» kennt als Marketing- und Nachhaltigkeitsverantwortliche der Agroindustrial Group Arnika Organic die Herausforderungen aus erster Hand.
Die ukrainische Wirtschaft habe angesichts der Kriegsbedrohung und der damit verbundenen Einschränkungen bereits bewiesen, wie leistungsfähig sie sei und wie widerstandsfähig ihre Produktions- und Lieferketten trotz Krieg sein können. Klassisches «Risikomanagement» erweise sich in Konfrontation mit einem Krieg als Theorie. Kein Buch oder Mentor können einem beibringen, wie man mit einem Risiko wie Krieg umgehe. «So, for lots of people, management in a war time is absolutely blind and an even ‹cannot-be-imagined› zone. But not for Ukrainians. So, Ukrainian business that has stayed and operates in Ukraine needs respect. Respect and consideration, that will put our products to the international trade agenda.»
Praktizierte Nachhaltigkeit als Überlebensfaktor
2022 bleibe als Jahr der Katastrophe und der Nachhaltigkeit in Erinnerung, so das Fazit von Anastasiia Bilych. Eine Katastrophe, die durch einen Krieg verursacht wurde, und konkrete Nachhaltigkeit, die dabei half, diesen zu überleben. Das Jahr habe gezeigt, wie Nachhaltigkeit in der Praxis wirklich funktioniert: in Partnerbeziehungen, im Unternehmen und im ganzen Team.
Anastasiia Bilych konkretisiert: «Sustainability created trust, and trust helped us to build export bridges to our international partners through the country that was in flame. Sustainability is the reason of devotion that showed each team member who was with the company during the toughest days of its history. Sustainability is an asset that though cannot be traded but just created.»
Richtung Westen – Innovativ, verlässlich, krisenerprobt
Der Härtetest unter Kriegs- und Krisen-Praxis dient nun als Grundlage für den schrittweisen Ausbau dieser innovativen Logistikalternativen. Gestützt auf mehrjähriger Erfahrung bewährt sich der Containerzugdienst zu verschiedenen Bestimmungsorten. Die Situation auf dem Markt habe sich mittlerweile normalisiert, und die Logistikpreise seien mittlerweile im Vergleich zum Vorjahr gesunken, betont Anna Nikova.
Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels machen jedoch neue Importeinschränkungen in Polen und weiteren Nachbarländern der Ukraine Schlagzeilen. Dies führt zu zoll- und grenztechnischen Zusatzaufwänden und logistischen Umwegen, auch wenn wie in den überwiegenden Fällen diese Länder gar nicht das Zielland der Exporte sind (siehe redaktionellen Kommentar).
Anna Nikova hat klare Erwartungen zu diesen Entwicklungen: «We hope and demand for a normalisation of these new politicaly motivated restrictions and a return to regular and reliable rules!»
Offen für neue Kooperationen – Auch in die Schweiz
Heute bedient GOL weltweit über gut eingespielte Logistikwege. Anna Nikova zeigt die viefältigen Optionen auf: «Wir haben unsere Kooperationen mit den Ostseehäfen namentlich in Polen (Gdansk) sowie die Logistik via die grossen Meereshäfen in Belgien und Niederlande (Rotterdam, Antwerpen) bereits seit längerem etabliert. Von hier aus können auch die Weltmärkte gut beliefern. Im Mittelmeerraum haben wir eine Kooperation mit Slovenien aufgebaut und zudem die Auslieferung via Trieste (Italien) ausgebaut.» Die beste und preiswerteste logistische Lösung für die Schweiz und nach Deutschland sei derzeit noch der Strassentransport, gefolgt vom ausbaufähigen Zugtransport mit Containern oder auf dem traditionellen Seeweg.
Anna Nikova betont für das ganze Team der GOL-Gruppe die Offenheit für neue Partnerschaften entlang der Logistikkette: «Wir unterstützen unsere Kunden bei allen Aufgaben nach Bedarf, sei es beim Strass ntransport, bei Seemassengut, Umladungen, Zügen, Seecontainern bis hin zu Öl in Lkw-Zisternen und Zelten mit Flexitanks und können dies in intermodalen Lösungen kombinieren.»
UkrSURT – Ukrainian State Academy of Railway Transport
Im Jahr 1930 im Rahmen des sowjetischen Bildungssystems gegründet, hat die in Kharkiv verankerte Akademie seit der ukrainischen Unabhängigkeit ihre Ausrichtung und Angebote erfolgreich gemäss den zeitgemässen Herausforderungen erneuert. Die heute als Universität nach internationalem Standard anerkannte Institution nimmt eine führende Position im Bereich der Ausbildung von Eisenbahnverkehrsfachleuten an Berufs- und Hochschuleinrichtungen weit über die Ukraine hinaus ein. So hat denn auch Anna Nikova hier ihr professionelles Knowhow aufgebaut. Mit Blick auf ihren eigenen Werdegang erinnert sie sich: «I graduated at the Faculty of Economics, Department of Public Management Communication & HR. There was a high quality of professionality, with an especially close cooperation with the Head of Department, Doctor of Economics, Professor Olena Dykan, as well as Olena Gromova, Candidate of Economic Sciences and Associate Professor. It was a great experience in my life and I’m sure for others students too, because a lot of them work for the Ukrainian Railway or own private companies now. I still use the knowledges I got at the Academy from all Professors, lectures. So it’s not only just for the marks that you graduated Academy of Railway Transport – it’s real experience and support. I was proud and honoured to learn from.»
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