Im Interview gibt sie einen Ausblick auf ihre Ziele.
Innovation Food: Ursula Kretzschmar – wie haben Sie sich in Ihrer neuen Aufgabe eingelebt?
Ursula Kretzschmar – Sehr gut. Der Empfang war offen und herzlich und von grosser Hilfsbereitschaft geprägt. Ich bin begeistert, was die HAFL und insbesondere mein Team bei «Food Science and Management» neben einer hervorragenden Lehre noch alles anbietet. Ich darf auf ein hochqualifiziertes Team zählen, welches mit Herzblut für die Studierenden da ist und sich auch den neuen Themen in der Forschung stellt. Zudem besteht eine grosse Offenheit, sich mit neuen Dienstleistungen zu etablieren.
Zuvor waren Sie in vielfältigen Funktionen der Ernährungsbranche tätig …
Ja, von der Produktentwicklung von Süsswaren, über die Entwicklung des Verkaufs von Halbfabrikaten sowie ISO-Zertifizierung, Bio- und HACCP-Inspektionen und dem Aufbau des Knospe-Marktes, als Leiterin Verarbeitung und Handel bei Bio Suisse, als Forscherin und Gastdozentin für ökologische Verarbeitung beim FiBL, sowie als Leiterin Lebensmittelrecht Inland und Schokoladen-Export in 52 Länder. Zudem betreute ich verschiedene Mandate für Alnatura, das EU-Programm «EGTOP – Expert group for technical advice on organic production». Im Verwaltungsrat der Agrovision Burgrain AG sowie der RegioFair AG konnte ich die Lebensmittelverarbeitung in ihren verschiedenen Facetten kennenlernen. Die Freude und Neugierde am Thema sind immer noch ungebremst.
Ich schätze es auch sehr, die Agronomie «sur place» zu haben, habe ich doch zwischen 15 und 18 meine Freizeit oft auf dem Bauernhof verbracht und bis und mit dem zweiten Vordiplom an der ETH Agronomie studiert. Mein Herzensthema Biolandbau ist auch an der HAFL angekommen, wir haben sogar eine Bio-Mensa.
Wie positioniert sich der Fachbereich Food Science der HAFL – auch im Vergleich zu vergleichbaren Hochschulen und Fachstellen?
Das ist immer die Frage – «wie positionieren wir uns». Ich würde die Frage umkehren. Welche Leistung bieten wir unseren Kunden, den Studierenden, der Lebensmittelindustrie, den Verbänden, Kantonen oder gar dem Bund? Und da haben wir einiges zu bieten.
Im Bachelorstudium bieten wir eine fundierte Ausbildung vom Feld bis auf den Tisch an. Neben den klassischen Grundlagen in der Verarbeitung decken wir auch die Themen Innovation sowie Food Business und Marketing ab. Die Zusammenhänge und Abhängigkeiten in der Wertschöpfungskette sind zentrale Elemente in der Ausbildung. Dies bestätigt sich ja aktuell aufgrund der derzeitigen geopolitischen Lage.
Die Ernährungsbildung ist uns ebenfalls ganz wichtig und wird auch über aktuelle Forschungsprojekte vorangetrieben. Dadurch, dass wir neben unseren Aktivitäten die Agronomie «sur place» haben und die BFH Gesundheit in Bern, können wir auf ein riesiges Fachwissen in der ganzen Wertschöpfungskette zugreifen. Ich denke, das spricht für uns. Mit dem MSc in Life Sciences – Food, Nutrition and Health decken wir die Schnittstelle zwischen Lebensmittelwissenschaften- und Ernährungswissenschaften ab.
Natürlich bietet die HAFL für Studierende einen Ort zum Wohlfühlen mit Pool, Wald, Gästehaus und Plätzen für ausgelassene Stunden und doch nahe zu Bern und zur Westschweiz. Wir leben den Röstigraben mit Genuss statt mit einer Sprachbarriere. Mit dem auch englischsprachig geführten Masterprogramm sind wir sogar eine dreisprachige Hochschule.
Welche Kooperationen bestehen im Rahmen von übergreifenden Innovations- und Forschungsprojekten?
Da wäre eine lange Liste, zählte man alles auf. Wir machen angewandte Grundlagenforschung von der Idee bis zur Marktreife. Wir decken Schwerpunktmässig folgende Forschungsbereiche ab: Food Business und Marketing, Nachhaltige Ernährungssysteme, Innovationsmanagement, Sensorik und Ernährung, Lebensmittel-Mikrobiologie, -Sicherheit und – Analytik und Prozesstechnologie sowie nachhaltige Lebensmittelverarbeitung. Die Finanzierung erfolgt über Instrumente der Innovationsförderung wie «Innocheck», «Innobooster» sowie mit weiteren Förder- und Umsetzungspartnern.
Betreffend Innovation sind wir eingebunden in das Branchennetzwerk Swiss Food Research und wir beteiligen uns an Förderprogrammen wie «Cluster Food und Nutrition» (FAF), «Streamup », «Impact Hub», «BFH-Sustains», «Stage-up» sowie «Be-advanced».
Wir bearbeiten Projekte finanziert durch das Bundesamt für Landwirtschaft BLW und wir sind Forschungspartner bei «EU Horizon»-Projekten. Weitere Aufträge erhalten wir seitens Stiftungen sowie im Rahmen der Start-up- und KMU-Förderung. Unser Angebot ist mehrheitlich national, aber auch international ausgerichtet.
Historisch gesehen stand an der HAFL die Milchwirtschaft im Vordergrund – welche Rolle nimmt diese heute noch ein?
Milch als Produkt und deren Verarbeitung sind für die Schweiz und damit in der Ausbildung nach wie vor ein wesentliches Thema, dazu gehören die klassische Herstellung von Milch, Butter, Joghurt, Quark, Käse, aber auch die Verwertung von Nebenprodukten. Sie bleibt einer der Grundpfeiler.
Was wollen Sie in Zukunft aus- und aufbauen?
Wichtig sind folgende Themen: Die Ausbildung und die Form der Ausbildung noch kundenorientierter zu gestalten, dass heisst, auf die veränderten Rahmenbedingungen einzugehen. Beispielsweise anhand neuer Themen und auch mit der Form und dem Aufbau des Studiums. Damit meine ich, dass durch den Fachkräftemangel die Industrie die Leute nicht für drei Jahre hergeben möchte und dass sich immer weniger Interessierte ein Vollzeitstudium leisten möchten oder können. Da braucht es gute flexible Angebote.
Im Februar 2025 eröffneten wir den neuen Pilotplant im Rahmen des Projektes «FASTER». Damit verfügen wir über eine hervorragende Infrastruktur. Die Nutzer haben jetzt Zugang zu kostengünstigen Dienstleistungen, entsprechendem Know-how und Ressourcen für Forschungsprojekte. Unser Ziel: Nachhaltige Ideen werden zu wirtschaftlichen und skalierbaren Lösungen. Wir wollen mit Dienstleistungen die Lücke im Portfolio schliessen und Dienstleistungsprojekte anbieten, damit die Studierenden noch mehr Praxisnähe während der Ausbildung gewinnen können.
Stichwort «Transformation des Ernährungssystems» – was bedeutet dies für Sie?
Oh, da gibt es vieles. In Bezug auf die Bildung: Was heisst es ganzheitlich, sprich im Kreislauf, zu denken? Wie vermeide ich Food Waste, wie vermeide ich bei neuen Produktentwicklungen neue Nebenströme? Was bedeutet es, ein Produkt nicht nur in Bezug auf Genuss, Geschmack und Bekömmlichkeit zu sehen, sondern auch Umwelt- und Gesundheitskosten zu beleuchten, beispielsweise bezüglich Zuckereinsatz oder gehärteter Fette. Wichtig sind zudem alle Fragen zur nachhaltigen Verarbeitung, auch bezüglich ausgewählter Technologien bis hin zur zeitgemässen Verpackungsentwicklung.
Eine traditionelle Stärke der Fachhochschulen bildet die berufliche Bildung der Studierenden – funktioniert dies heute noch?
Wir sind und bleiben eine Fachhochschule und die Praxisorientierung ist und bleibt der Anker. Unsere Leute sind bei der Industrie extrem gefragt. Aus diesem Blickwinkel funktioniert es. Da aber weniger die klassischen Berufe wie Metzger, Bäcker, Milchtechnologe erlernen und noch weniger eine Berufsmatur machen, da die Betriebe ihre Leute in der Produktion brauchen, sind wir sehr gefordert. Auf jeden Fall setzen wir alles daran, die jungen Leute für den Beruf zu begeistern.
Vielen Dank für diesen Austausch!
Neue Pilotanlagen
Neue Pilotanlagen erweitern die Optionen für Lehre, Forschung und innovative Projektkooperationen. Eckpunkte in der Übersicht
❱ Investition in die Zukunft
❱ Entwicklung nachhaltiger Lebensmittel
❱ Effiziente Nutzung von Nebenströmen
❱ Nutzung für Lehre, Forschung, Start-ups, KMUs und die Industrie
❱ Ort als Katalysator für Lösungen für ein nachhaltiges Ernährungssystem
❱ Küche = Start der Idee bis zur Verkostung
❱ Plattform für kreative Ideen und Innovationen
❱ Verbindet Genuss und Technik
❱ Brücke von der Theorie zur Praxis
❱ Macht die Verarbeitung erlern- und erlebbar
❱ Spart Ressourcen
❱ Ermöglicht Konsummuster