«Der Anbau hat sich auf das ganze Deutschschweizer Mittelland ausgeweitet und aktuell weitet sich der Anbau auch auf extensive Getreidebetriebe in der Westschweiz aus«, sagt Thomas Kurth, Geschäftsführer der IG Dinkel. Gerade der Urdinkel-Anbau wachse nun schon seit Jahren stetig zwischen fünf bis zehn Prozent pro Jahr. Der sogenannte Schweizer Urdinkel (als eingetragene Marke stilisiert UrDinkel) steht für Dinkel aus vorgegebenem Anbau. Es sind dies die beiden Sorten Oberkulmer Rotkorn und Ostro – ausschliesslich alte und reine Schweizer Dinkelsorten, die bis heute nie mit modernen Weizensorten gekreuzt wurden.
Die alten und langhalmigen Sorten Ostro und Oberkulmer Rotkorn enthalten viel Kleberprotein, das die Teige weich und dehnbar, aber unelastisch macht. Teige aus Urdinkel neigen ausserdem zum Breitlaufen und erfordern deshalb bei der Verarbeitung Fingerspitzengefühl und spezielle Rezepte – beispielsweise mit Einsatz eines Brühstücks.
Mit der Marke UrDinkel geht ein verbindliches Pflichtenheft einher, dass den Anbau, die Verarbeitung und die Deklaration regelt. «Urdinkel beinhaltet unter anderem ökologische, klimafreundliche und soziale Ansprüche, indem ausschliesslich unter den Labels IP-Suisse und Bio-Suisse-Knospe extensiv angebaut und in regionalen Röllmühlen dezentral verarbeitet wird», verdeutlicht Thomas Kurth. Ausserdem darf der Urdinkel ausschliesslich in angestammten Schweizer Anbaugebieten angebaut werden.
So werden die Transportwege vom Feld zur Mühle verkürzt und die regionale Verarbeitung sowie die damit einhergehende Wertschöpfung in ländlichen Regionen erhalten. Daneben wird mit der Marke UrDinkel auch die grösstmögliche Reinheit in Produkten garantiert.
Weil eine hundertprozentige Reinheitsgarantie in der Wertschöpfungskette allerdings nicht umsetzbar ist, gibt es einen Toleranzwert: Fremdgetreide darf nur in Spuren von maximal 0,9 Prozent enthalten sein und der Zusatz von Weizengluten wird nicht toleriert. «Im Gegensatz dazu reicht bei einen herkömmlichen Dinkelbrot ein Dinkelanteil von über 50 Prozent aus», erklärt Thomas Kurth. Das Pflichtenheft der Marke UrDinkel gleicht dem der ursprungsgeschützten AOC-Zertifizierung, ist allerdings privatrechtlich geschützt.
Die Protein- beziehungsweise Gluten-Zusammensetzung ist noch in einem ursprünglicheren Verhältnis und der Anteil Protein und Fett sei höher als bei herkömmlichem Weizen. Im Langzeittrend «Back to the Roots» und im aktuellen Trend zu mehr regionalen, ökologischen und pflanzlichen Nahrungsmitteln gewinne Dinkel und insbesondere Urdinkel aber seit Jahren Marktanteile: «Allerdings auf einem nach wie vor tiefen Nischenniveau», relativiert Thomas Kurth. Gerade die aktuell stark gestiegene Nachfrage sei vor allem auch dem pandemiebedingten Lockdown zuzuschreiben. Die Mehlverkäufe im Detailhandel hätten 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent und mehr zugenommen. Wohl, weil man mehr Zeit hatte, selber zu backen, mutmasst Thomas Kurth.
Dinkel ist so vielseitig einsetzbar wie der Weizen. Es ist jedoch ein zusätzlicher Arbeitsgang, das sogenannte Röllen oder Entspelzen notwendig. Dieser Arbeitsgang mit einer Kerne-Ausbeute von rund 72 Prozent verteuere den Dinkel im Vergleich zu Weizen. «Deshalb wird Dinkel in Spezialitäten eingesetzt, bei denen der Konsument bereit ist, einen Mehrpreis zu bezahlen», erklärt Thomas Kurth. Mengenmässig werde Dinkel und Urdinkel heute unter anderem zu Mehl für den Detailhandel, für Brot, Zöpfe und Backwaren sowie für Cracker und Biskuits eingesetzt. Und für exklusive Schweizer Pasta – bei Teigwaren kommt sonst hauptsächlich kanadischer Hartweizen zum Zug. Aufkommende Spezialitäten seien auch Pops, Flakes oder das «Kernotto», polierter Urdinkel, der als Reisersatz wie Risotto eingesetzt werde. (LID)