Im Rahmen eines vom Bund und vom Kanton Fribourg unterstützten Projekts der regionalen Entwicklung (PRE-Projekt) engagiert sich die Berner Fachhochschule (Hochschule für Agrar-, Forst und Lebensmittelwissenschaften, HAFL) für die Bioproduzenten im Freiburger Seeland. Eines der Teilprojekte fokussiert auf die B2B-Vermarktung von regional produzierten Bio-Produkten; Prof. Lorenz Probst, Co-Leiter Entrepreneurship Office BFH & Projektleiter HAFL, begleitet dieses Projekt seit mehreren Jahren. Um die Geschäftsprozesse der neu gegründeten Firma «B2B PRE Bio Gemüse Seeland GmbH» zu digitalisieren, ist die Wahl auf Frutico gefallen. Worum geht es dabei eigentlich? Wir fragen Lorenz Probst.
Matthias Müller: Was ist die B2B PRE Bio Gemüse Seeland GmbH?
Das PRE «Bio Gemüse Seeland» wird vom Trägerverein PRE BioGemüse Seeland gesteuert, in welchem sich Produzenten sowie Produzentenorganisationen aus dem Kanton Freiburg mit einer hohen finanziellen Beteiligung zusammengeschlossen haben. Sie alle sind gemeinsam bestrebt, die Wertschöpfung im freiburgischen Seeland zu erhalten bzw. auszubauen. Das Projekt umfasst verschiedene Teilprojekte, so wird bspw. Bio-Gemüse und Tourismus (unter der Federführung von Murten Tourismus) gefördert, sodass die Seeländer Bioproduktion als Erlebnis mit allen Sinnen wahrgenommen werden kann.
Aufgrund einer Bedarfsanalyse wurde die B2B PRE Bio Gemüse Seeland GmbH gegründet; sie wird unter unter einer neu zu definierenden Marke auftreten – auch hier besteht der Kreis der Teilhaber*innen aus Produzentenorganisationen bzw. Bio-Produzenten. Das Geschäftsmodell sieht vor, dass regionale Bio-Produkte auf eine einfache Weise – an einem Ort! – beschafft werden können, also eine «onestop shopping experience». Es wurden mehrere Zielgruppen (alle B2B) definiert. Als Beispiele können Marktfahrer, lokale Detailhändler und Gastronomen genannt werden.
Warum engagiert sich die Berner Fachhochschule für Bioproduzenten?
Die HAFL als Departement der Berner Fachhochschule geniesst im Agrar-, Wald- und Lebensmittelsektor einen exzellenten Ruf. Dies dank dem Engagement von zahlreichen Expertinnen und Experten, die sehr eng mit den Branchen zusammenarbeiten. Es werden Forschungs- und Dienstleistungsmandate aus dem ganzen Spektrum der Landwirtschaft bearbeitet; also auch für Stakeholder, die in der konventionellen Landwirtschaft aktiv sind. In der Landwirtschaft sind Kreislaufmodell und Nachhaltigkeit seit Jahren bestens verankert – so gehört der Bio-Landbau quasi automatisch zum Interessengebiet der HAFL. Bei der Anfrage nach Begleitung des Projektes durch die PRE-Projektleitung musste ich nicht lange zögern. Wir freuen uns sehr, an Projekten mitzuarbeiten, welche einen direkten Impact auf die Gesellschaft haben – und das ist hier auf jeden Fall gegeben!
Was denken Sie über die Bedeutung dieser Branche und ihr Entwicklungspotenzial in der Region und in der Schweiz?
Im Bereich der Bio-Lebensmittel sehen wir seit Jahren ein kontinuierliches Wachstum. 2021 haben Schweizerinnen und Schweizer für rund CHF 4005 Mio. Bio-Produkte gekauft und so ein Bekenntnis zu dieser Produktionsform abgegeben. Dies entspricht bei Lebensmitteln einem Bio-Wert-Anteil von rund 11 Prozent. Wir rechnen damit, dass sich der Wachstumstrend noch fortsetzen wird. Der Ausserhaus-Bio-Konsum (bspw. in der Gemeinschaftsgastronomie und im Bereich der verarbeiteten Produkte) wird dabei als einer der Treiber identifiziert. Neben Bio spielt aber auch die Regionalität eine grosse Rolle. Je nach Umfrage kann man feststellen, dass der Regio-Aspekt beim Kaufentscheid teilweise noch fast höher gewichtet wird.
Ist staatliche Wirtschaftsförderung nicht kritisch zu sehen?
Nein, überhaupt nicht! Denn Innovation können wir uns als Gesellschaft durchaus leisten; wir benötigen diese sogar, um unsere Wettbewerbsfähigkeit weiter auszubauen. Im geltenden Landwirtschaftsgesetz (Art. 93ff), welches notabene durch einen politischen Prozess entstanden ist und so mehrheitlich auf grosse Akzeptanz stösst, sieht der Gesetzgeber vor, dass der Bund gemeinsam mit dem jeweiligen Standortkanton, Projekte fördern kann, welche zur regionalen (also dezentralen!) Wertschöpfung einen Beitrag leistet. Um diese Fördergelder zu erhalten, müssen u.a. detaillierte Businesspläne verfasst werden, welche aufzeigen, dass die geförderten Projekte nach sechs Jahren selbsttragend sind.
Toll an diesem Förderinstrument finde ich, dass es zugänglich für alle ist, also egal, ob Bio oder konventionelle Produktion. Gefordert wird eine Trägerschaft, die mehrheitlich aus Direktzahlungsberechtigten und mehreren Partnern entlang der Wertschöpfungskette besteht. Also gilt eigentlich der Aufruf, dass so Ideen und Projekte umgesetzt werden sollen. Wichtig ist, zu verstehen, dass die Bundesförderung nur unter Einhaltung formaler und inhaltlicher Auflagen vergeben wird; u.a. gilt:
- der Standortkanton muss dem Vorhaben zustimmen (politisches Verfahren) und beteiligt sich ebenfalls finanziell, d. h. er bezahlt auch Fördergelder aus
- Private beteiligen sich substanziell am Projekt (beim Seeländer PRE beläuft sich die private Beteiligung – durch die Träger des Projektes – auf rund CHF 61 Mio.
Was ist Ihre Einschätzung zum Potenzial der Digitalisierung?
Die BFH hat als eines ihrer drei strategischen Themenfelder die «humane digitale Transformation» definiert. Die Transformation ist nicht aufzuhalten, wir können sie aber mitgestalten! Bei der neu gegründeten GmbH werden Geschäftsprozesse digitalisiert – dort wird in vielen Bereichen der Wertschöpfungskette noch ein sehr hohes Verbesserungspotenzial identifiziert. Aber, der persönliche Kontakt zwischen Kunden und Produzenten wird nicht vernachlässigt. Lebensmittel muss man mit allen Sinnen wahrnehmen können. Das wollen auch die B2B-Kunden; also muss ein «hybrides Geschäftsmodell» entwickelt werden. Die automatisierten Prozesse sollen den Mitarbeitenden die Möglichkeit geben, sich persönlich um die Anliegen der Kunden zu kümmern und diese beim Einkauf auf eine sympathische Art begleiten zu können. Der «Service après ventes» und die Kundenpflege bleiben zentral. Hier hat sich das Team um den Projektleiter Nicolas Hauert schon einiges ausgedacht … lassen Sie sich überraschen.
Und natürlich interessiert uns: Warum darf Frutico bei dem Projekt mitwirken?
Wir haben eine Plattform gesucht, in der wir bereits eine hohe Expertise für unsere Branche erkennen konnten. Eine generische «e-commerce»-Lösung hat uns weniger interessiert. Den Kontakt zu einer Unternehmung, welche bereits Erfahrungen und auch einen gewissen «track record» hatte, war uns wichtig. Die Profis von Deep Impact haben uns zeigen können, dass sie in der Lage sind, mit uns die Prozesslandschaft so zu analysieren und letztendlich zu gestalten, dass unser Geschäftsmodell abgebildet werden kann und dass wir unseren Kunden eine tolle «user experience» bieten können. Frutico macht es auch möglich, dass die internen Prozesse wie etwa die Beschaffung, die Konfektionierung und die Logistik in einem hohen Masse digitalisiert werden können, was der neuen Gesellschaft mit Sicherheit einen Wettbewerbsvorteil bescheren wird.