Auf den Tellern von Europäern sind Insekten nur selten anzutreffen. Unter anderem die klimatischen Bedingungen sind mit ein Grund dafür, dass der Verzehr von Insekten in Europa wenig verbreitet ist. So ist der grössere Teil der weltweit bekannten Insektenarten vor allem in den tropischen und subtropischen Regionen heimisch. In der Schweiz ist Fleisch wie in den meisten Industriestaaten die beliebteste Proteinquelle. Bekanntlich bringt der hohe Fleischkonsum aber auch globale Probleme mit sich.
Treibhausgasemissionen sowie der hohe Platz- und Ressourcenbedarf stellen die Fleischproduktion zunehmend vor Herausforderungen – gerade mit Blick auf die zu ernährende und stark wachsende Weltbevölkerung. Insekten mit ihrer guten Nährstoffbilanz werden darum immer öfter als alternative Proteinquelle ins Feld geführt. Ausserdem lassen sich Insekten in grossen Mengen und einfach skalierbar produzieren und laut der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen benötigen beispielsweise Grillen zwölfmal weniger Futter als Rinder, viermal weniger Futter als Schafe und halb so viel Futter wie Schweine oder Masthühner.
Entsprechend gab es in den letzten Jahrzehnten auch hierzulande vermehrt Bestrebungen, Insekten als Lebensmittel zu etablieren. Unter anderem das Start-up Essento entwickelt, produziert und vermarktet Spezialitäten aus Speiseinsekten und hat sich auf die Fahne geschrieben, Insekten als Nahrungsmittel für die menschliche Ernährung in Europa und der Schweiz salonfähig zu machen. Laut eigenen Angaben hat das Unternehmen entscheidend mitgeholfen, die Gesetzesänderung anzustossen, die in der Schweiz vor fünf Jahren zur Zulassung von Insekten als Lebensmittel führte.
Das Unternehmen arbeite seither unter anderem daran, Konsumentinnen und Konsumenten besser über die ökologischen Vorteile von Speiseinsekten zu informieren, erklärt Daniel Ehrensberger, Head of Sales und Marketing bei Essento. «Eine von einer Schweizer Fachhochschule kürzlich erstellte Auswertung attestiert unserem Essento-Insekten-Burger eine mindestens 30 Prozent tiefere CO2-Bilanz im Vergleich sogar zu einem plantedbased Burger», nennt er ein Beispiel.
Schwache Nachfrage als grosse Hürde
Trotzdem ist der Verzehr von Insekten in unseren Breitengraden nach wie vor eine Randerscheinung. Nimmt man die Auslage bei Grossverteilern und Detailhändlern als Mass, scheinen Insekten auf dem hiesigen Markt nur eine äusserst kleine Nische zu besetzen – wenn überhaupt: Bei der Migros sind die Insektenprodukte erst letzten Herbst wieder aus dem Sortiment gefallen.
«Die Insekten waren 2019 als wir sie auf den Markt brachten kurzzeitig sehr erfolgreich, aber die Verkäufe gingen schnell zurück, als der Neuheiteneffekt nachliess», erklärt Tristan Cerf, Mediensprecher der Migros, auf Anfrage. «Insekten gehören unseren Beobachtungen zufolge noch nicht überall auf den Schweizer Teller», führt er weiter aus. Die Migros konzentriere sich im Moment darum unter anderem auf die Weiterentwicklung von pflanzenbasierten Produkten, die aktuell besonders von Konsumentinnen und Konsumenten nachgefragt würden.
Konkurrentin Coop hingegen führt noch Insektenprodukte im Sortiment und die Nachfrage sei stabil, sagt Nico Nabholz, Mediensprecher von Coop: «Es ist aber sicher so, dass diese Art von Produkten in einer Nische zuhause ist – trotzdem haben wir seit der Lancierung das Sortiment an Insektenprodukten stetig erweitert und laufend den Bedürfnissen unserer Kundinnen und Kunden angepasst.» Die Rückmeldungen der Kundinnen und Kunden seien entsprechend positiv.
Das deckt sich mit den Erfahrungen von Essento, dessen Produkte unter anderem in den Coop-Regalen stehen: «Nach einem substanziellen Umsatzanstieg im Jahr 2018 hat sich die erste Welle an Erstkäufern etwas gelegt und tatsächlich ist das Volumen unserer Produkte heute noch in einem tiefen Umsatzbereich anzusetzen, jedoch mit wachsender Tendenz – nach unserer Einschätzung ist es einfach Frage der Zeit», meint Daniel Ehrensberger von Essento.
Ausserdem stünden die Insektenprodukte durch den gegenwärtig anhaltenden verstärkten Fokus auf pflanzenbasierte Produkte zusätzlich etwas unter Druck und die Covid-Pandemie habe besonders in Bahnhoffilialen, in welchen ihre Produkte auch oft erhältlich seien, einen Verkaufsrückgang verursacht. «Nichtsdestotrotz ist unser Umsatz in der Schweiz aktuell nun wieder mit rund plus 15 Prozent ansteigend und wir haben diverse Anfragen aus dem Ausland bezüglich möglicher Exportkooperationen», führt Daniel Ehrensberger weiter aus.
Trotz grossem Potential steckt sowohl die Produktion von Insekten wie auch die Nachfrage danach hierzulande also noch in den Kinderschuhen und viele Fragen sind nach wie vor ungeklärt. Vor dem Hintergrund globaler Herausforderungen wie dem Klimawandel stellt die Insektenproduktion aber ein valabler Lösungsansatz dar: So haben Grillen, Heuschrecken und Mehlwürmer im Hinblick auf ihr Nährstoffprofil sowie die Umweltbilanz einiges zu bieten.
Dass Insekten als Futtermittel bei Nutztieren mit grossen Chancen verbunden wären, davon ist der Schweizer Bauernverband überzeugt: «Nachdem der Verkauf von verarbeiteten Insekten für die menschliche Ernährung noch nicht wie erhofft lief, liegt das Potential sicher eher in der Nutztierfütterung und dort als hochwertige Proteinkomponente», meint Sandra Helfenstein vom Schweizer Bauernverband. Besonders interessant sei die Produktion, wenn die Nahrungsgrundlage der Insekten Lebensmittelreste oder ähnliche Nebenprodukte seien, fügt sie an.
Quelle LID