Auf die politische und die öffentliche Agenda haben es die Verpackungen aber vor allem durch Bilder von vermüllten Landschaften und Tieren geschafft, die unter achtlos weggeworfenen Abfällen leiden. Hinter den emotionalen Bildern stehen auch Zahlen: Dem sprunghaften Anstieg von Verpackungsmüll soll Einhalt geboten werden. Es sollen weniger Verpackungen verwendet werden, wiederverwendbare, recycelbare oder – wenn möglich – gar keine.
Verbraucher kennen Zusammenhänge zu wenig
Was dabei zu wenig gesehen wird: Verpackungen generell, und insbesondere jene aus Kunststoff, leisten einen grossen Dienst für den Schutz und die Erhaltung von Lebensmitteln und anderen Waren. Nur rund 2 bis 5 Prozent des CO2-Fussabdrucks macht bei einem Produkt die Verpackung aus. «Je wertvoller der Inhalt, desto besser muss die Verpackung sein», lautet die Devise – gerade bei Lebensmitteln.So hat beispielsweise die Umweltberatungsfirma denkstatt aus Wien festgestellt, dass beim Verkauf von Käse an der Frischetheke durchschnittlich 5 Prozent im Müll entsorgt werden, im Selbstbedienungsregal sind es nur 0,14 Prozent. Bei der gerne zitierten Salatgurke verhält es sich ähnlich: Ohne Schutzfolie entstehen demnach 9,4 Prozent Ausschuss allein im Handel, mit Folie ist es weniger als die Hälfte (4,6 %). Die meisten Verbraucher kennen diese Zusammenhänge nicht und sind empört über die vermeintlich überflüssigen Verpackungen. Viele Menschen glauben, dass weniger Verpackungen eine erhebliche Entlastung der Umwelt bedeuten würden. Doch dem ist nicht so. Tatsächlich verursacht beispielsweise ein Flug von Wien nach London den gleichen Carbon Footprint wie sieben Jahre Verpackungskonsum. Wer einmal das Auto tankt, könnte genauso gut 4000 Kunststofftragetaschen verbrauchen. Und wer Lebensmittel unverpackt einkauft und sie dann nicht rechtzeitig verbraucht, richtet einen deutlich grösseren Schaden an, als wenn er sich gleich an der Convenience-Theke die Mahlzeit nach seinem Bedarf in einer Kunststoffschale gekauft und gegessen hätte.
Plastik ist out – doch Kunststoffverpackungen sind nachhaltig
Dafür, dass Plastik out ist, hat u.a. der Vorstoss der Europäischen Union gesorgt, nach dem bis im Jahr 2030 alle Kunststoffverpackungen auf dem EU-Markt wiederverwendbar oder recycelbar sein müssen. In der Ökobilanz schneiden Kunststoffverpackungen dennoch häufig besser ab als alternative Verpackungslösungen. Und allein durch seine Eigenschaften wird Kunststoff immer im Einsatz bleiben: Er macht Lebensmittel länger haltbar, ist leicht, formbar und vielseitig einsetzbar. Das zeigt sich beim Swiss Packaging Award, den das Schweizerische Verpackungsinstitut jedes Jahr ausrichtet, immer wieder. Auch in diesem Jahr haben die Nachhaltigkeitsexperten in der Jury unter den zahlreichen Einreichungen in der Kategorie «Nachhaltigkeit» zwei Verpackungslösungen aus Kunststoff für eine Auszeichnung vorgeschlagen: Eine hauchdünne PET-Folie für die Ummantelung einer Flasche für Milchdrinks sowie einen Standbodenbeutel für Reinigungsmittel aus Monomaterial.
In der gesamten Verpackungswirtschaft gilt derzeit – unabhängig davon aus welchem Material die Verpackungen hergestellt werden – der Nachhaltigkeitsgedanke. Rohstoffe sollen eingespart werden. Darüber hinaus wird bereits bei der Entwicklung von Verpackungen das spätere Recycling berücksichtigt (Stichwort «Design for Recycling»). Gerade bei Lebensmitteln sind hier allerdings sehr hohe Hürden zu meistern, denn die Sicherheit hat oberste Priorität, was das Experimentieren mit neuen Materialien erschwert. Längst sind Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen auf der Suche nach alternativen Rohstoffen für die Herstellung von Kunststoff. Wie die Wechselwirkungen dieser künftigen Verpackungsmaterialien mit den Lebensmitteln sind, welche Stoffe unter Umständen von der Verpackung ins Lebensmittel übergehen, muss dann in einem zweiten Schritt geprüft werden.
Bewährte und hocheffiziente Verpackungslösungen aus Verbundmaterialien, die in den vergangenen Jahren wegen ihres optimierten Materialeinsatzes und ihrer idealen Barriereeigenschaften als umweltfreundlich gelobt wurden, stehen nun wieder am Anfang. Sie können bislang nicht recycelt werden. Technische Lösungen, um die einzelnen Schichten wieder voneinander zu trennen und für das Recycling aufzubereiten, sind auf ihre Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit zu prüfen. Bleibt der Einsatz von Monomaterialien, die einfach recycelt werden können, aber deutlich dicker sein müssen, um ihren Zweck zu erfüllen, und damit wieder mehr Materialeinsatz fordern und aufwendiger zu transportieren sind.
Abfälle sind Wertstoffe am falschen Ort
Verpackungsmaterialien sind Wertstoffe. Um diese im Kreislauf zu halten, müssen sie gesammelt werden. «Abfälle sind Wertstoffe am falschen Ort», lautet ein Zitat von Swiss Recycling. Doch die Organisation von Sammelstellen funktioniert nicht von heute auf morgen. Beispiel Getränkeverbundkartons: Obwohl hier ein Recycling schon lange möglich wäre, landen die Getränkekartons weiterhin in der Verbrennung. Das haben verschiedene Referenten auf der SVI-Jahrestagung im Januar 2020 berichtet, die in Pilotprojekten versucht haben, eine Sammlung der Getränkekartons auf den Weg zu bringen. Das jüngste Projekt von Aldi Suisse in Zusammenarbeit mit dem Verein Getränkekarton-Recycling Schweiz dauerte rund zwei Jahre und musste am Ende wegen übermässigen Erfolgs eingestellt werden. Der Rücklauf an Getränkekartons sei überwältigend gewesen, berichtete ein Sprecher von Aldi. Doch der Discounter konnte am Ende die Transporte zu den Recyclern logistisch nicht mehr ohne Mehraufwand bewältigen, die ganze Aktion drohte zu einem Verlustgeschäft für den Discounter zu werden. Wie beim Getränkekarton, so sind auch bei anderen Kunststoffen sortenreine Sammlungen notwendig, um sie recyceln und im Kreislauf halten zu können. Die Frage ist dabei immer: Wer trägt die Kosten?
Das Verhalten der Verbraucher hat die höchste Relevanz
Um tatsächlich etwas für die Umwelt zu tun, müssen in erster Linie die Verbraucher ihr Verhalten ändern. Die ungeliebten voluminösen Kunststoffverpackungen für Salate oder andere Snacks gibt es schliesslich in erster Linie, weil immer mehr Menschen unterwegs essen wollen. Ebenso verhält es sich mit anderen Convenience-Produkten und dem damit einhergehenden steigenden Bedarf an Verpackungen: Mundgerecht geschnittenes Obst und Gemüse, fertige Salate und vieles mehr wird nur angeboten, weil sich die Konsumenten das wünschen und zugreifen. Man muss dabei wiederum festhalten, dass diese To-go-Produkte durchaus ökologisch sinnvoll sein können. Nämlich dann, wenn auf diesem Wege Lebensmittel bedarfsgerecht portioniert und konsumiert werden und weniger Essen weggeworfen wird. Den grössten Effekt für die Umwelt würde man allerdings in ganz anderen Bereichen erzielen: Weniger Auto fahren, weniger Flugreisen unternehmen und in der Wohnung im Winter auf ein oder zwei Grad Raumtemperatur verzichten.
Schweizerisches Verpackungsinstitut SVI
Gegründet 1963, ist das SVI der packstoffneutrale Dachverband der schweizerischen Verpackungswirtschaft (Jahresumsatz über 6,5 Mia. Franken; 400 Betriebe; 25000 Mitarbeitende). Das SVI repräsentiert den gesamten «life cycle» der Verpackung und fungiert als Partner zwischen Behörden, Medien, Konsumenten und Verpackungswirtschaft.
Zweck:
Das SVI vertritt die Anliegen und die Interessen des schweizerischen Verpackungswesens gegenüber Behörden und Organisationen - auf nationaler und internationaler Ebene. Durch seine packstoffneutrale Ausrichtung fördert das SVI ganzheitliche Verpackungslösungen. Ziel ist, die Innovationskraft und die Wettbewerbsfähigkeit der schweizerischen Verpackungswirtschaft zu stärken und nach aussen zu präsentieren. Als Kommunikationsplattform unterstützt das SVI die Weiterentwicklung des Verpackungswesens sowie den Erfahrungsaustausch zwischen seinen Mitgliedern und fördert die berufliche Weiterbildung. Das SVI pflegt Kontakte zu Hochschulen, Organisationen, Wirtschaftsverbänden und Unternehmen, die in der Verpackung tätig sind.
Dienstleistungen:
- Verpackungsspezifische Aus- und Weiterbildung
- Erfahrungsaustausch zwischen Lieferanten, Verpackungsherstellern, Maschinenlieferanten, Abpackender Industrie, Handel und Dienstleistern
- Organisation von Fachtagungen und von Informationsanlässen
- Netzwerkbildung und PR für die Verpackung
- Durchführung des jährlichen Swiss Packaging Award-Verpackungswettbewerbes
- Vertretung der Anliegen der Branche bei internationalen Organisationen (EPIC, WPO) und Unterstützung der Mitglieder bei der Beteiligung am World Star