«Preneurship for Regenerative Food Systems» ist nicht ganz «selbsterklärend». Danke für eine Übersicht …
Wir wollten uns mit dem Namen umfassend positionieren und ausdrücken, dass alle Kernbereiche wie Lebensmittelsysteme, Unternehmertum und Umwelt gleich wichtig sind. Nun enthält der Name Begriffe, die teilweise auf viel Begeisterung und teilweise zuerst etwas Irritation auslösen. Das bedeutet für uns, dass eine Auseinandersetzung stattfindet, was super ist.
Der Begriff «Preneurship» nimmt Bezug auf Entrepreneurship, verstanden als Unternehmertum und eben nicht nur Start-up-Gründung. Mit diesem Fokus können unsere Studierenden praxisnah Erfahrungen sammeln, um bestmöglich für die Arbeitswelt vorbereitet zu sein. Wir wollen Verständnis dafür entwickeln, dass wir die Systeme besonders über unternehmerische Lösungen beeinflussen und verändern können.
«Regenerative» – Der aus dem Sport bekannte Begriff ergänzt das Konzept der Erholung mit der Vorbereitung auf die nachfolgend höhere Anstrengung. Die Agro-Food-Branche hat unsere Wirtschaft, Umwelt und uns selber marathonmässig aus dem Gleichgewicht gebracht – mit Auswirkungen wie Klimakatastrophen, Biodiversitätsverlust und auch mentale Überforderung. Hier braucht es regenerative Lösungen für eine gute Erholung und Vorbereitung auf zukünftige Herausforderungen.
Preneur:innen, die einen regenerativen Ansatz verfolgen, betrachten die ihnen zugrunde liegenden Prozesse und das System, in dem sie wirken. Sie versuchen nicht nur den Ausstoss an CO2 zu minimieren, sondern sind sich aller planetaren Grenzen und ihren Einfluss darauf bewusst. Sie erarbeiten oder verändern ihre Geschäftsmodelle so, dass sie im momentanen Wirtschaftssystem funktionieren und auf sozialere, zirkuläre Systeme hinarbeiten.
Der Begriff «Preneurship» impliziert, dass die Absolvierenden in der Regel ein Start-up-Unternehmen aufbauen. Stimmt dieser Eindruck?
Wir vereinen im Studium die drei Preneurshipstränge Entrepreneurship, Intrapreneurship und Commonpreneurship. Unter Entrepreneurship gehen die Studierenden dem Aufbau von Start-ups nach, der Gründung des eigenen Unternehmens. Bei Intrapreneurship geht es darum in bestehenden Unternehmen die Innovations- und Veränderungsprozesse voranzutreiben und bei Commonpreneurship stehen soziale Initiativen im Vordergrund.
Was unterscheidet den Masterstudiengang von bereits länger bestehenden Studiengängen?
Der inhaltliche Fokus liegt auf nachhaltigen und regenerativen Food Systemen, gekoppelt mit einer unternehmerischen Ausrichtung und Ausbildung. Hinzu kommen starke Individualisierungsmöglichkeiten der Kompetenzentwicklung über Formate wie das Open Curriculum, Individual Skills und das Agro Food Project. Weil wir von den Studierenden viel Eigeninitiative und Selbstorganisation fordern, unterstützen wir sie durch individuelles Coaching, gruppenspezifisches Mentoring und die Integration von Soft-Skill-Kompetenzen, Stichwort «Personal Resilience».
Von den Studierenden hören wir oft, dass sie bereits solche Formate gesucht haben und nun zum ersten Mal fündig werden. Ich glaube die generalistische Ausrichtung auf Unternehmertum, gekoppelt mit dem inhaltlichen Fokus auf Food, der zeitgenössischen Relevanz der Nachhaltigkeit und dem klaren Fokus auf die individuelle und individualisierbare Kompetenzentwicklung, spricht sehr viele Menschen an.
Eine Studentin mit einem Wirtschaftshintergrund hat sich beispielsweise mit der Zeit besonders über private Interessen im Bereich der Ernährungssysteme entdeckt und möchte da einen positiven Impact mit ihrer beruflichen Tätigkeit haben. Hinzu kommt, dass sie sportlich sehr aktiv ist. Nun ergibt sich in unserem Studium für sie die Möglichkeit, auch Kompetenzen im Bereich der Sporternährung mit Fokus «plantbased diet» zu entwicklen. Und weil sie das im Individual-Skills-Bereich macht, kann sie zum Beispiel von MOOCs (massive open online courses), profitieren.
Was ist Ihnen als Studiengangleiterin besonders wichtig?
Immer wieder eine Balance einkehren zu lassen. Wir haben viele Spannungsfelder und Bedarfsgruppen mit ganz unterschiedlichen Ansprüchen und Bedürfnissen. Ausserdem sind wir immer noch in der Aufbauphase eines Studiengangs, der die Grenzen und Rahmenbedingungen stark testet und verändert. Ich versuche Perspektiven zu verstehen, Bedürfnisse abzuwägen und zwischen individualisierten Lösungen und übergreifenden Prozessen herauszufinden, was sinnvoll ist und was keine Priorität hat. Ich habe hohe Ansprüche an die Qualität unseres wirklich innovativen Masters. Mein Ziel ist es, mit viel Energie und Humor voranzutreiben, was wir als Team für notwendig betrachten.
Ich persönlich strebe an, den Master aufzubauen, ohne ihn je erstarren zu lassen. Ich merke mit jedem Gespräch, das ich führe: Die Ansprüche und Bedürfnisse aller Stakeholder ändern sich schnell. Ich möchte im Studiengang entsprechend adaptiv bleiben. Das ist natürlich nicht einfach, denn wir wollen auch ein gewisses Qualitätsniveau erreichen.
Mir ist immer wieder auch der persönliche Austausch ein grosses Anliegen. Per Zufall über einen Kaffee und ein Stück Kuchen oder an einem Flipchart habe ich die inspirierendsten Gespräche.
Der Studiengang ist noch immer neu: Was sind die bisherigen Erfahrungen?
Unfassbar vielfältig, herausfordernd, lehrreich und beflügelnd! Wir haben natürlich sowohl gute wie auch schlechte Erfahrungen gemacht. Bei den Herausforderungen versuchen wir stets, eine Lehre daraus zu ziehen und uns zu überlegen, welche Veränderungen oder Anpassungen es nun brauche – ohne gleich über das Ziel hinauszuschiessen. Das merken wir im Moment besonders bei der Betreuung und Beratung der Studierenden. Die guten Erfahrungen versuche ich zu feiern und nicht als selbstverständlich zu betrachten. Für mich lagen die guten Erfahrungen besonders in der Zusammenarbeit mit unseren Modulleitenden, die sich stark einbringen, um den Studierenden vielfältige und zielführende Module zu bieten. Auch die Zusammenarbeit mit den Leuten in unserem direkten Kernteam, und erweitert mit den Menschen aus der Administration, ist extrem wertvoll.
Wir erfahren viel Unterstützung, das ermutigt mich immer wieder, wenn ich ab und zu dann eher harzige und demotivierende Begegnungen habe. Und nichts toppt den direkten Austausch mit unseren Studierenden. Sie sind so neugierig, vielfältig interessiert, in der Gruppe rücksichtsvoll und gegenüber uns fordernd und ermutigend zugleich. Es ist wirklich ein Privileg für mich, von derart vielen tollen Menschen umgeben zu sein.
«Personal Resilience» und «Achtsamkeit» sind Teil des Studiengangs. Was bedeutet dies konkret?
Menschenzentrierte Weiterentwicklung: Die Studierenden sollen von Anfang an immer wieder selber entdecken und entscheiden, welche Kompetenzen sie selber noch entwickeln möchten, weil sie ihnen fehlen oder sie dort besondere Stärkezonen oder Interessen/Leidenschaft haben. Wissen ist überall verfügbar und die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen werden immer komplexer.
Die Zusammenarbeit mit Menschen rückt zunehmend in den Fokus und das alles fordert von uns viel. Hier kommt die mentale Komponente wesentlich zum Tragen. Wir haben uns entschieden, dass im MSc PREFS Themen wie Diversität und Inklusion, Kommunikation und Achtsamkeit tragende Rollen spielen sollen, um den Studierenden die breite Palette an Kompetenzen für ihr anspruchsvolles Wirkungsfeld zugänglich zu machen. Umgesetzt bedeutet das, dass wir die Themen in Modulsettings theoretisch zugänglich machen, die Studierenden das gleich auch in ihren Gruppenarbeiten und besonders im Agro Food Project anwenden müssen und es Teil der Leistungsnachweise wird. Zudem haben wir mit «Personal Resilience» ein Pflichtmodul, das den Zugang zu Themen wie Selbstwirksamkeit, Perspektivenwechsel, Achtsamkeit, Ziel- und Zukunftsorientierung erschliesst. Ich halte gerade diese Kompetenzen als unfassbar wichtig, weshalb ich das Modul auch als Modulleiterin mit den Studierenden durchführe.
Als Zulassungskriterium wird ein abgeschlossenes Bachelorstudium verlangt. Wie läuft der Aufnahmeprozess ab?
Wir unterscheiden im Studium zwischen fachnahen und fachfremden Abschlüssen. Fachnah sind in der Regel alle Bachelor- und Masterabschlüsse aus den Gebieten, die wir in unserem Studium vereinen: Wirtschaft, Lebensmittel und Ernährung, Umwelt. Fachfremd sind somit alle anderen. Mit einem fachnahen Bachelor und einer Abschlussnote von 4,75 oder höher ist man direkt zugelassen. Alle anderen können eine Eignungsabklärung machen und so den Zugang zum Studium erlangen.
Bei neuen Studiengängen stellt sich Frage: Was machen die Absolvierenden damit? Die Studierenden vereinen nach unserem Master in sich ein zentrales Kompetenzpaket mehr, und zwar ein sehr individualisiertes. Die Wege danach sind vielfältig und nach wie vor bestimmt durch die Interessen, Leidenschaften und vergangenen Ausbildungswege der Studierenden. Sie entscheiden, wo sie nach dem Studium ihren Impact leisten wollen. Das kann natürlich in der Gründung des eigenen Unternehmens sein oder die Suche einer Firma, um diese mit konkreten Projekten nachhaltiger und regenerativer zu gestalten.
Ein Beispiel: Wir waren kürzlich zu Besuch bei Bekannten, die in der Brauereibranche arbeiten. Diese steht im Moment vor riesigen Herausforderungen, weil die wichtige Ressource, Kohlenstoffdioxid (CO2) kaum noch verfügbar ist. CO2 ist ein Nebenprodukt aus der Ammoniak-Herstellung, welche aufgrund der sich zuspitzenden Gas-Krise zurzeit extrem eingeschränkt ist. Kohlenstoffdioxid wird nun wahnsinnig teuer. Die Firma meines bekannten stellt nun schnell und sinnvoll ihre Produktionsprozesse um, damit sie Kohlenstoffdioxid selber herstellen und rezyklieren können. Das ist um einiges nachhaltiger und hätte schon vor längerer Zeit geschehen können. Hier können Menschen mit starker Vernetzungskompetenz unternehmerische Lösungen weitsichtig einbringen, bevor Ressourcenengpässe zu unüberwindbaren Herausforderungen werden – vorausdenkend, kreativ und vernetzend.
Sie arbeiten sehr stark in Innovationsnetzwerken und praxisnaher Aus- und Weiterbildung – Beispiele?
In unserem Agro Food Project erarbeiten die Studierenden über vier konsekutive Semester in einem Team ein unternehmerisches Projekt, unterstützt von Mentor:innen. Die Cases für die Projekte kommen teilweise auch von Wirtschaftspartner:innen.
Wir haben viele verschiedene Dozierenden im Unterricht, sehr viele davon auch Externe, die ihre Erfahrungen mit den Studierenden teilen. Wir versuchen uns immer wieder zu vernetzen, um den Studierenden um Beispiel auch gute Anschlusslösungen anzubieten. Da ist foodward für uns eine wichtige Partnerin.
Innerhalb des Studiums schon mit den Studierenden zusammenarbeiten wie in einem Unternehmen. Sie also auch vieles selber entdecken und erfahren lassen, damit sie es direkt nach dem Studium anwenden können. Besonders für den zweiten Durchgang ab Frühling 2023 werden wir das noch ein Stück mehr fokussieren, um Learnings aus dieser ersten Durchführung umzusetzen.
Wo steht der Studiengang in 10 Jahren?
Mmh… also 2032. Ich wünsche mir für 2032, dass wir dank kontinuierlicher Weiterentwicklung einen renommierten Master anbieten, der nach wie vor den individualisierbaren Bildungsweg leidenschaftlicher, interessierter und intrinsisch motivierter Studierender im Zentrum hat. Die Preneur:innen, die bis dann abgeschlossen haben, wurden von uns auf ihrem Weg zur Gestaltung innovativer und regenerativer Lösungen wertschätzend und zielführend begleitet. Wir interagieren nach wie vor persönlich mit unseren Studierenden und dürfen sie als erfahrene und erfolgreiche Unternehmer:innen auch wieder im Studiengang begrüssen.
Vielen Dank für das gute Gespräch!