Innovation Food: Welche wichtigsten Herausforderungen stellen sich der Ernährungsbranche – aktuell und zukunftsgerichtet?
Dr. Lucas Grob, CEO Swiss Food Research: Es gibt (zu) viele Sichtweisen sowie Fragestellungen und dementsprechend viele Zielkonflikte, welche es zu lösen gilt. Für die Landwirtschaft etwa: Wie kann ich wirtschaftlich arbeiten unter den heutigen und morgigen Gegebenheiten?
In einem zunehmend wettbewerbsintensiven und sich schnell entwickelnden Markt ist Innovation zu einem Eckpfeiler des Erfolgs geworden, insbesondere im Agrar- und Ernährungssektor. KMU stehen oft vor der Herausforderung, herauszufinden, wo sie anfangen, wie sie Innovationen einführen oder ihre aktuellen Strategien verbessern können. Im Detailhandel stellt sich angesichts der Veränderung des Konsums die Frage: Wie kann man transparent und flexibel gleichzeitig sein?
Was heisst Innovationsförderung für Sie konkret?
Innovationsförderung bedeutet für Swiss Food Research, Organisationen als Wegbegleiter und Katalysator im gesamten Innovationsprozess zu unterstützen mit einem gesamtheitlichen Ansatz. Wir sehen uns als eine Art Reiseführer durch die Innovationsgalaxie, der Unternehmen, Forschungseinrichtungen, und andere Akteure an die Hand nimmt und ihnen hilft, sich im komplexen Feld der Innovation zurechtzufinden. Nachhaltigkeit und Kreislauffähigkeit stehen im Zentrum.
Dabei stellen sich für Organisationen in der Regel zwei zentrale Fragen: «Wer hat die richtigen Kompetenzen, um meine Idee umzusetzen?» sowie «Wo finde ich finanzielle Unterstützung für mein Innovationsprojekt?». Diese beiden Fragen bilden das Herzstück unserer Arbeit. Unsere Aufgabe besteht darin, Organisationen über den gesamten Innovationspfad hinweg zu begleiten – vom ersten Identifizieren eines Problems über die Entwicklung einer Idee, die Formulierung eines konkreten Projekts, die Prototypenphase bis hin zur erfolgreichen Markteinführung. Wir bringen die richtigen Akteure zusammen, ob es sich um Experten, Forschungseinrichtungen oder Industriepartner handelt, und stellen sicher, dass die notwendigen Ressourcen und Kompetenzen verfügbar sind, um Ideen in marktfähige Innovationen zu verwandeln.
Ein weiteres wichtiges Element unserer Arbeit ist die Unterstützung bei der Finanzierung von Innovationsprojekten. Wir helfen Organisationen dabei, geeignete Finanzierungsquellen zu identifizieren – sei es durch staatliche Förderprogramme oder Stiftungen. Gerade der Zugang zu «A-fonds-perdu»-Mitteln kann eine entscheidende Hürde im Innovationsprozess darstellen, und hier setzen wir an, um durch gezielte Vermittlung und Beratung den Weg für erfolgreiche Projekte zu ebnen.
Darüber hinaus verstehen wir uns als «Geburtshelfer» für innovative Projekte. Das bedeutet, dass wir Organisationen frühzeitig dabei unterstützen, die richtigen Fragen zu stellen und Herausforderungen zu identifizieren, die später für den Projekterfolg entscheidend sein werden. Indem wir Organisationen dabei helfen, klare Zielsetzungen und Impact-orientierte Strategien zu entwickeln, stellen wir sicher, dass Innovationen nicht nur auf dem Papier funktionieren, sondern auch tatsächlich nachhaltigen Einfluss auf den Markt und die Gesellschaft haben.
Ihre Trägerschaft ist mittlerweile sehr vielfältig – wer sind die wichtigsten Akteure?
Mit über 240 Mitgliedern entlang der Wertschöpfungskette, über Forschung, Verarbeitung und Vermarktung hinaus auch Landwirtschaftsbetriebe, sind wir sehr breit abgestützt. Jede Organisation spielt eine wichtige Rolle im Ökosystem. Je nach Projekt und Fragestellung können die Rollen unterschiedlich sein. Stiftungen sind wichtig, um an den Themen zu arbeiten, welche mittel- bis langfristig sind. Landwirtschaftsbetriebe sind wichtig, um Wertschöpfung in der Primärproduktion zu erreichen und lokale Wirkung zu entfalten.
Wie sieht es aus mit europäischen Kooperationen – und global?
SFR ist «Strategic Partner» beim Europäischen Forschungsnetzwerk «EIT Food». Als Mitglied unterstützen wir paneuropäische Programme und bieten unseren Mitgliedern Zugang zu dem europäischen Ökosystem. Das beinhaltet Wissen, Best Practices und Zugang zum europäischen Netzwerk. Zentral sind hier die Weiterentwicklung von Talenten und Marktvalidierung von Deep Tech. Hier arbeiten wir mit Universitäten wie Aarhus, Queens University Belfast, Warschau und Unternehmen wie Puratos, aber auch RTO: Registered Training Organization, DIL: Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik, RTOs (wie das DIL) zusammen.
Die Innovationsgruppen dienen dem «Knowledge Transfer» – was heisst dies genau?
Wissenstransfer ist ein zentrales Element bei SFR, gemeint damit wird der gezielte Austausch von Wissen und Erfahrungen zwischen verschiedenen Akteuren der Lebensmittelbranche, wie Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Start-ups und anderen relevanten Partnern. Dieser Austausch soll Innovationen fördern, die Wertschöpfung steigern und den Übergang von Forschungsergebnissen in die Praxis erleichtern.
Die neueste Innovationsgruppe setzt bei der Landwirtschaft an, wie kam es dazu?
Die Innovationsgruppe Zukunftsgerichtete Landwirtschaft haben wir zusammen mit der Seedling Stiftung initiiert. Die Landwirtschaft ist der wichtigste Teil der Lebensmittelwertschöpfungskette. Auch hat diese Stakeholdergruppe unterschiedliche Bedürfnisse. Im Kanton Luzern arbeiten wir deshalb eng mit dem BBZN zusammen. Durch die Lenkungsgruppe (siehe hier) können wir lokale Themen aufgreifen und Lösungen aus dem überkantonalen und internationalen Kontext reinspielen.
Viele der Start-ups stammen aus dem Hochschul-Umfeld. Erreichen Sie auch Fachleute, mit klassischem Gewerbe- und Berufsbildungshintergrund?
Wir erreichen mit unseren Initiativen nicht nur das Hochschulumfeld, sondern auch eine Vielzahl anderer Zielgruppen. Zwar ist die Reichweite in diesen Bereichen kleiner, jedoch gewinnt sie kontinuierlich an Bedeutung. Dank des Innovation Boosters Future Food Farming haben wir ein starkes Werkzeug entwickelt, das darauf ausgerichtet ist, lösungsorientiert und problemfokussiert Innovationen zu fördern. Dabei gelingt es uns, auch das klassische Gewerbe aktiv einzubeziehen und neue, praxisnahe Ansätze zu entwickeln, die das gesamte Ökosystem voranbringen.
Gewerbliche Infrastrukturen werden manchmal nicht 24/7 genutzt – oder gar nicht mehr – wirken Sie auch hier vermittelnd?
Wir arbeiten eng mit unseren Mitgliedern und Partnern zusammen, um innovative Ansätze zu entwickeln, wie diese ungenutzten Ressourcen sinnvoll und effizient genutzt werden können. Dabei geht es nicht nur darum, bestehende Kapazitäten (Fläche – Maschinen) besser auszulasten, sondern auch darum, neue Geschäftsmodelle zu fördern, die Mehrwert schaffen – sowohl für die Betriebe als auch für die gesamte Branche.
Ein Beispiel sind Kooperationsmodelle, bei denen verschiedene Unternehmen oder Institutionen gemeinsam Infrastrukturen nutzen, um Kosten zu senken und gleichzeitig Ressourcen zu schonen. Auch die Nutzung für Start-ups, die oft keine eigenen Produktionsstätten haben, ist ein wichtiger Aspekt.
Neben der öffentlichen Finanzierung wächst der Bedarf nach Alternativen – welche Erfahrungen machen Sie mit Stiftungen, Philanthropie?
Stiftungen und philanthropische Organisationen spielen eine immer bedeutendere Rolle, insbesondere in Zeiten, in denen der öffentliche Sektor durch Sparmassnahmen in der Finanzierung eingeschränkt wird. Der Bedarf an alternativen Finanzierungsquellen wächst kontinuierlich, und hier kommen Stiftungen und philanthropische Akteure ins Spiel.
Unsere Erfahrungen mit Stiftungen sind sehr positiv. Wir arbeiten mittlerweile mit drei zusammen (AVINA, Seedling, Fourfold). Sie bieten die Möglichkeit, Projekte frühzeitig zu testen und innovative Ansätze zu fördern, die unter den üblichen staatlichen Finanzierungsmodellen vielleicht nicht realisierbar wären. Stiftungen sind oft flexibler, denken langfristiger und systemischer, was die Unterstützung von Projekten betrifft. Diese Förderung ermöglicht es, neue Technologien, Methoden oder Konzepte auf ihre Umsetzbarkeit zu prüfen, bevor sie in einem grösseren Massstab realisiert werden. Ein Beispiel: Beim Innovation Booster Future Food Farming werden Gelder der Innosuisse «gehebelt» mit Unterstützung der AVINA Stiftung. Somit entstehen in der frühen Phase Projekte, welche einen grösseren Impact erzielen können und gemeinsam das Risiko breiter abgestützt wurde. Weiter ist diese Unterstützung besonders wertvoll, da sie über die rein finanzielle Förderung hinausgeht und oft auch in Form von Netzwerkzugang und strategischer Unterstützung erfolgt. Es ist jedoch wichtig, zu erwähnen, dass Stiftungen und philanthropische Organisationen in der Regel andere Ansprüche und Erwartungen an die geförderten Teams und Projekte haben. Sie legen oft besonderen Wert auf soziale, ökologische und gemeinnützige Aspekte und erwarten von den Projektteams klare Zielsetzungen gemäss dem jeweiligen Stiftungszweck. Zudem spielen langfristige Wirkung und Nachhaltigkeit eine grössere Rolle als bei rein wirtschaftlichen Fördermodellen.