«Biodiversität = Umweltschutz und Blumenwiesen», so lässt sich salopp formuliert das noch immer weit verbreitete Missverständnis zusammenfassen. Vielmehr geht es längst im wortwörtlichen Sinn «ums Ganze». Wie bei den klimapolitischen Herausforderungen bildet der Erhalt der natürlichen Ressourcen die Grundlage für jede menschliche Aktivität in Gesellschaft, Politik und Kultur.
Biodiversität als Lebensgrundlage sichern
«Die Biodiversität ist für unsere Lebensqualität unabdingbar», betont auch die traditionelle Umweltorganisation Pronatura im Rahmen ihrer Kampagne für die «Biodiversitäts-Initiative», zu welcher der Bundesrat derzeit einen offiziellen Gegenschlag zur politischen Debatte stellt (vgl. Infobox). Pronatura zeigt gleichzeitig den umfassenden Handlungsbedarf auf: «Der Biodiversität verdanken wir unsere Nahrung, sauberes Wasser und Luft, Kleidung, Energie, Baustoffe, Medikamente sowie bewohnbare Landschaften. Eine intakte Biodiversität ist von grösstem Wert für unsere Gesellschaft und Wirtschaft.» Der Zustand der biologischen Vielfalt sei trotz zahlreicher Regelwerke und internationaler Vereinbarungen nach wie vor kritisch, so die besorgte Analyse der Umweltorganisation. Es werde deutlich zu wenig für den Schutz der biologischen Vielfalt getan – gerade auch in der Schweiz. Ein Vergleich mit unseren Nachbarländern zeige beispielsweise für die Schweiz die höchste Anzahl an gefährdeten Arten auf.
«Frieden machen» statt Ressourcenkrieg
Die für Lifefair von Dominique Reber moderierte Online-Debatte hielt sich nicht nur mit der Diskussion um den Handlungsbedarf auf. Zur richtungsweisenden Orientierung dienten die guten Einstiegsvoten wie etwa die klaren Forderungen von Dr. Bruno Oberle. Der frühere Direktor (2006–2015) des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) hat seine Karriere der nachhaltigen Entwicklung gewidmet und engagiert sich nun als Generaldirektor der «International Union for Conservation of Nature» (IUCN) für einen umfassenden Wandel der Gesellschaft.
Um den UNO-Generalsekretär Antonio Guterres zu zitieren: «Die Menschheit ist im Krieg gegen die Natur.» Um Frieden zu schliessen, müssen wir unsere Geisteshaltung ändern», stellte Dr. Oberle als grundsätzliche Voraussetzung für einen echten Fortschritt klar. Die menschliche Gesellschaft nutze die natürlichen Ressourcen nach wie vor, ohne dafür einen echten Preis zu zahlen oder gar gezielt in den Erhalt und die Wiederherstellung der verlorenen Biodiversität zu investieren. Eine Herausforderung sei dabei die Etablierung gut messbarer Kennwerte. Globale, aussagekräftige Messgrössen für Biodiversität festzusetzen, sei noch anspruchsvoller als bei den Klimazielen. Dennoch sei es möglich und notwendig, klare Zielvorgaben zu definieren, betonte Dr. Oberle: «Parallel zu den Klimazielen müssen wir per sofort weitere Biodiversitäts-Verluste stoppen und ab 2030 beginnen, Artenbestände wieder aufzubauen.» Nur mit ambitionierten, aber dringlich notwendigen Eckwerten sei es realistisch, per 2050 eine «Full Recovery» der natürlichen Ressourcen zu erreichen.
Klare Anreize und Investitionen notwendig
Ausgehend von den Inputreferaten vertiefte das Lifefair-Forum konkrete Fragen der Umsetzung und der Vertiefung der sich daraus ergebenden Fragestellungen. Das dringend notwendige gemeinsame Handeln der Entscheidungstragenden aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und selbstverständlich aller Akteure «der Wirtschaft» und «der Zivilgesellschaft» sei dabei leider noch lange nicht erreicht. «Wie kann die Wirtschaft mit Biodiversität künftig Geld verdienen?» So eine der diskutierten Fragen, welche den dringend notwendigen gleichzeitig ethischen, aber in der Konsequenz auch ökonomischen «Wertewandel» aufzeigte. Im Fokus stand nicht zuletzt der Bedarf nach einer Neuorientierung auch der Finanzmärkte, namentlich der institutionellen Anlagefonds. Wichtig sei eine Analyse und Offenlegung der Risiken, auch in Bezug auf klima- und ressourcenpolitischem Nicht-Handelns. Eine nachhaltige Entwicklung mit effektiver Breitenwirkung sei ohne klare Anreize und Investitionen aller staatlichen und privatrechtlichen Akteure bis hin zur Nationalbank nicht erreichbar. Insbesondere die staatlichen Finanzorgane müssten sich konsequent auf die politischen Nachhaltigkeitszielsetzungen ausrichten. Dies sei zudem auch aus ökonomischer Sicht die sicherste und zukunftsfähigste Anlageund Investitionsstrategie.