Der Forderung nach einer nachhaltigeren Lebensmittelproduktion wird vor allem aus Landwirtschaftskreisen häufig mit dem Hinweis entgegnet, dass diese Massnahmen zu einer Erhöhung der Importe aus dem Ausland führen würden. Diese Einschätzung teilen jedoch nicht alle Organisationen der Ernährungswirtschaft. Die Kleinbauern-Vereinigung stellt sich beispielsweise auf den Standpunkt, dass beides, die Inlandproduktion und die Importe, stärker auf Nachhaltigkeit auszurichten sind.
Grenzschutz: Nachhaltigkeitskriterien für Agrargüter
Die Kleinbauern-Vereinigung schlägt einen konkreten Regelungsansatz als Lösung vor, wie Kilian Baumann, Biobauer, Nationalrat (BE) und Präsident der Vereinigung, erläutert: «Bei den Importen soll der schon bestehende Zollschutz für Agrargüter verstärkt dazu genutzt werden, grenzüberschreitende Handelsbeziehungen zu fördern, die zu einer nachhaltigen Entwicklung der Land- und Ernährungswirtschaft auch im Inland beitragen, anstatt diese zu bremsen.»
Martina Munz, Nationalrätin (SH), unterstützt dieses Vorgehen und stellt den Handlungsbedarf in einen grösseren Rahmen: «Die Schweiz braucht ein neues Aussenhandelsgesetz, das den Agrarhandel mit einschliesst. Das Gesetz muss festlegen, welche Grundsätze im Bereich der Menschen- und Arbeitsrechte sowie Umweltstandards beim Abschluss von Abkommen einzuhalten sind. Mit dem Gesetz soll ein Beitrag an die UNO-Nachhaltigkeitsziele geleistet werden. Inländische Produkte und Importprodukte sollen damit mit möglichst gleichen Ellen gemessen werden.»
Schweizer Produktion und Import als Ergänzung
Dr. iur. Elisabeth Bürgi Bonanomi forscht und lehrt als Rechtswissenschafterin am Centre for Development and Environment (CDE) der Universität Bern und leitet den Bereich Nachhaltigkeitsgouvernanz. Im wichtigen Forschungsfeld erarbeitet sie Grundlagen für einen nachhaltigen globalen Agrarhandel. Wichtig sei es für die Schweiz, ihren Schutzraum gegen innen für die heimische Landwirtschaft – etwa durch Zölle – neu zu definieren und diese gleichzeitig auf Nachhaltigkeitsziele auszurichten. Elisabeth Bürgi Bonanomi ergänzt: «Auf dieser Grundlage liessen sich der Agrarhandel aktiver gestalten, neue Partnerschaften andenken und nachhaltige Prozesse anderswo effektiv fördern.»
Zusammen mit einer Gruppe von elf weiteren Expertinnen und Experten hat sie einen Vorschlag für ein «Hypothetisches Bundesgesetz über den nachhaltigen Agrarhandel» ausgearbeitet. Der Vorschlag beschreibt in konkreter Gesetzessprache, wie der Marktzugang besonders nachhaltiger Produkte gefördert und besonders schädlicher Produkte erschwert werden könnte. Der Vorschlag nimmt Rücksicht auf Grundsätze der WTO – wie die Prinzipien der Nicht- Diskriminierung – und würde Lösungen erlauben, die kontextgerecht wären. Der Dike-Verlag wird den Gesetzesentwurf demnächst mit einem Begleittext in den drei Sprachen Englisch, Französisch und Deutsch in Buchform herausgeben.
Einen aktuellen Anwendungsfall einer Nachhaltigkeitsregelung stellt die neue EU-Regulierung für entwaldungsfreie Lieferketten dar, die im Juni 2023 in Kraft getreten ist. Schweizer Unternehmen sind davon auch betroffen, sofern sie ihre Produkte in der EU verkaufen wollen. Um Diskriminierung im Inland zu vermeiden, wird die Schweiz die EU-Regulierung auch in internes Recht übersetzen müssen. Dieser Prozess ist im Moment im Gang. Dr. iur. Elisabeth Bürgi Bonanomi empfiehlt einen proaktive Umsetzung beim eidgenössischen Nachvollzug: «Die Schweiz sollte aber ihren Gestaltungsspielraum nutzen. Sie sollte eine Lösung suchen, die EU-konsistent ist, aber etwas weniger bürokratisch ausgestaltet ist. Auch sollte die Lösung entwicklungsfreundlicher sein und die Interessen der Kleinbäuerinnen und -bauern besser einbeziehen.»
Pronatec Kakao – Bereit für das EU-Entwaldungsgesetz
❱ Analyse Entwaldungsrisiko nach Ursprungsland
❱ Analyse lokale Gesetzgebung (z. B. Agroforstbestimmungen, Naturschutzgesetze)
❱ Software «abunda» zur Erfassung georeferenzierter Daten
❱ Massnahmen zum Schutz der Wälde