Ob Fleisch oder Fisch noch geniessbar ist, wird derzeit auf zwei Arten getestet. Zum einen kontrolliert geschultes Personal mit der Nase die Haltbarkeit und zum anderen gibt es teure und zeitaufwendige mikrobiologische Analysen, deren Ergebnis erst nach Tagen vorliegt. Was fehlt, ist eine technische Lösung, die genau und schnell bestimmen und vorhersagen kann, wie lange Fleisch und Fisch haltbar sind. Allein in der deutsch-dänischen Grenzregion entstehen pro Jahr circa 48.000 Tonnen an Abfall von Fleisch und Fisch. „Man ist dazu angehalten das Fleisch nach einer gewissen Zeit zu entsorgen. Bei Fisch sind es zwei Tage, obwohl der Fisch eigentlich noch bis zu neun Tage verzehrt werden könnte“, beschreibt Sebastian Hauschild, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kompetenzzentrum CoSA die aktuelle Lage.
Roana de Oliveira Hansen, ausserordentliche Professorin am Mads Clausen Institute der Syddansk Universitet (SDU), leitet das Projekt. Die Professorin beschäftigt sich am Institut in Sonderborg mit der Entwicklung von Cantilever-Sensoren. Cantilever-Sensoren sind dünne, biegsame Balken, die sich verformen. Im Projekt werden mit ihnen hochempfindliche Messungen durchgeführt, um den Cadaveringehalt von verschiedenen Fleisch- und Fischsorten zu bestimmen und damit eine Aussage über die Haltbarkeit zu machen. „Cadaverin entsteht bei der Zersetzung von Eiweiss und erzeugt den typischen Geruch von verwesendem Fleisch“, sagt die Professorin.
Der Cantilever-Sensor wird am Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnologie (ISIT) gefertigt, vom dänischen Startup AmiNIC in das Handgerät eingebaut und für Tests an das CoSA übergeben. „Wir setzen den Handsensor auf das Fleisch auf. Über einen Lüfter wird das Cadaverin in den Sensor gesaugt. Eine Elektronik bringt ihn zum Schwingen, ähnlich wie bei einem Sprungbrett in der Schwimmhalle“, sagt Hauschild. „Je nachdem wie viele Cadaverin Peptide am Sensor haften bleiben, verändert sich die Schwingfrequenz. Der Sensor zählt sozusagen die Masse an Cadaverin. Mit den gewonnenen Daten wird dann die Vorhersage für die Haltbarkeit gemacht.“
Präzise Vorhersage: kein Blick in die Glaskugel
Ab dem ersten Tag der Schlachtung entsteht Cadaverin. Der Mensch kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht wahrnehmen, wie viel Cadaverin im Fleisch- oder Fisch enthalten ist. „Den Job soll in Zukunft die elektronische Nase übernehmen“, sagt Professor Horst Hellbrück, Leiter des Kompetenzzentrums CoSA. „Im Projekt haben wir einen Messaufbau gefertigt, an dem wir die verschiedenen Fleischsorten mit dem Frischesensor testen und die Verfallsdaten mithilfe von stochastischen Analysen voraussagen. Dabei beachten wir auch Umgebungsparameter wie Temperatur und Feuchtigkeit“, erklärt Sebastian Hauschild.
„Natürlich müssen wir erst einmal unsere Lehren aus dem Markt mit grösseren Unternehmen wie Restaurants und Supermärkten ziehen. Aber auf lange Sicht könnte es sehr interessant sein, zu prüfen, wie wir dieses Produkt für Haushalte verfügbar machen können“, sagt Jens Nielsen vom Startup AmiNIC im Hinblick auf die Zukunft der elektronischen Nase.
Text und Bild: Technische Hochschule Lübeck, weitere Informationen unter www.th-luebeck.de