Nicht nur in Asien, auch in Island, Wales, Irland, Schottland, Dänemark und in der Bretagne sind Algen klassische Bestandteile der traditionellen Küchen. Sie können frisch, getrocknet oder eingelegt verzehrt werden wie z. B. in Seetangsuppen oder auch als Würzmittel zu Geflügel. Die Meeresdelikatessen werden sowohl aus Wildpopulationen geerntet, als auch in Aquakulturen gezüchtet.
Aufgrund ihrer reichhaltigen chemischen Zusammensetzung und ihres Gehalts an bioaktiven Substanzen werden Algen in vielen Bereichen der Industrie eingesetzt. Ihre gelierenden, verdickenden und stabilisierenden Eigenschaften haben zur Entwicklung von Produkten wie Agar-Agar, Alginat und Carrageenan geführt und lassen sich heute in vielen verarbeiteten Lebensmitteln finden. Ausserdem werden Algen in der Lebensmittelindustrie als Nahrungsergänzungsmittel eingesetzt ebenso wie als nährstoffreicher und gesundheitsfördernder Zusatz in Functional Foods.
Für die Produktion fermentierter Lebensmittel spielen Algen eine zunehmend wichtigere Rolle. In Zukunft werden sie auch für die Herstellung von kultivierten Fleisch- und Fischprodukten von Bedeutung sein. Kein Wunder also, dass die Aquakultur von Meeresalgen zu den am schnellsten wachsenden Lebensmittelsektoren der Welt zählt. Die Steigerung des jährlichen Produktionsvolumens beträgt 8 bis 10 Prozent.
Immer mehr Unternehmer:innen interessieren sich für den Rohstoff der Zukunft, der im asiatischen Raum bereits weit verbreitet ist. Der Westen hat den Einsatz von Algen für sich entdeckt. Zwar werden derzeit 97 Prozent der Algen noch in Asien produziert. Doch sowohl Makro- als auch Mikroalgen werden inzwischen auch in Europa gezüchtet. Makroalgen werden in sogenannten Tangwäldern in den Uferzonen der Meere angebaut. Diese bieten gleichzeitig einen Lebensraum für eine Vielzahl von Fischen und anderen Meerestieren. Die Zucht von Mikroalgen findet hingegen in geschlossenen Aquakulturen und völlig unabhängig von offenen Meeren statt.
Mikroalgen haben – vor allem wegen dem vielversprechenden Potenzial bei der Produktion von Fleischersatzprodukten und Cultured Meat – viel Aufmerksamkeit auf die Qualitäten ihrer Zusammensetzung gezogen. Der hohe Eiweissgehalt dieser mikroskopisch kleinen Algen ist ein Grund, warum eine Reihe von jungen Unternehmen die Erforschung der Meerespflanze und ihren Einsatz in der Entwicklung pflanzlicher Fleischprodukte und Tierfutter anstösst.
Unter Laborbedingungen können Proteine bereits aus Algen extrahiert werden. Die kontrollierte Kultivierung von Mikroalgen und der Extraktionsprozess erfordern allerdings teure High-Tech-Anlagen und hochqualifiziertes Personal.
Dennoch wird laut dem Alaska Seaweed Market Assessment (2021) die Marktreife für Protein-Extrakte aus Algen für 2026 erwartet. Neben dem hohen Proteingehalt ist ebenso der Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren für die Lebensmittelindustrie interessant. Die Akteur:innen haben insbesondere die Omega-3-Fettsäuren, die nur schwer in ausreichender Menge aus anderen Lebensmitteln gewonnen werden, im Auge.
Algen als gesunde Proteinquellen mit positivem Klimaeffekt
Während die Produktion von Mikroalgen in geschlossenen Anlagen unter Nachhaltigkeitsaspekten noch problematisch ist – die Bioreaktoren benötigen viel Energie für Heizung, Kühlung, Belüftung –, überwiegen bei der Makroalgenzucht ökologische Vorteile. Der wichtigste (und offensichtlichste) Vorteil ist, dass die grossen und langen Algen im Meer wachsen und daher nicht die knapper werdenden Ressourcen wie den fruchtbaren Boden und das Süsswasser belasten. Ein weiterer Vorteil der Meeresalgenzucht ist die Aufnahme von Nährstoffen direkt aus dem Wasser. Das bedeutet, es werden keine zugesetzten Pestizide und Düngemittel benötigt.
Aquakulturen von Meeresalgen bieten, in der Theorie, das grosse Potenzial dem Treibhauseffekt und der Versauerung der Meere – dementsprechend dem Klimawandel – entgegenzuwirken. Zudem könnten Meeresalgen in Zukunft einen grossen Beitrag zur Dekarbonisierung bestehender Industrien leisten, indem erdölbasierte Produkte beispielsweise durch Biokunststoffe auf Meeresalgenbasis ersetzen werden.
Auszug aus dem Food Report 2023 von Hanni Rützler. www.zukunftsinstitut.de