Innovation Food: Was sind die wichtigsten Ziele des Swiss Food & Nutrition Valley?
Christina Senn-Jakobsen – Unser oberstes Ziel ist es, das Ernährungssystem zukunftssicher zu machen. Damit meinen wir die Stärkung aller drei Säulen: Die Schaffung eines Systems, das innerhalb der planetarischen Grenzen funktioniert, Lebensmittel produziert, die die menschliche Gesundheit wirklich fördern, und für alle Beteiligten finanziell tragbar bleibt.
Wir sehen Herausforderungen als Chancen. Mit dem reichen Ökosystem, dem fundierten wissenschaftlichen Wissen und der Innovationskraft der Schweiz sind wir einzigartig positioniert, um diesen Wandel voranzutreiben. Unser Netzwerk bringt Wissenschaft, Unternehmen, Start-ups, Kantone und Investoren auf eine Weise zusammen, wie es nur wenige andere Länder können. Das gibt uns die Zuversicht, dass wir ein Lebensmittelsystem gestalten können, das nachhaltig, widerstandsfähig und nahrhaft für kommende Generationen ist.
Zusammenarbeit ist einer Ihrer Kernwerte. Wie sieht das in der Praxis aus?
Zusammenarbeit ist nicht nur ein Wert, sondern unsere Arbeitsweise. Als zweckorientierte Vereinigung verpflichten sich alle unsere Partner einer gemeinsamen Mission: Die Schweiz als Nation der Lebensmittelinnovation zu stärken und gemeinsam zukunftsfähige Lebensmittelsysteme zu entwickeln. Unsere Projekte bringen immer mindestens zwei verschiedene Gruppen von Akteuren zusammen, idealerweise über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg und darüber hinaus.
In der Schweiz arbeiten wir intensiv mit Organisationen wie Switzerland Global Enterprise, SDSN, Cluster Food & Nutrition, FiBL und vielen anderen zusammen. International arbeiten wir mit Food Innovation Valleys in Dänemark, den Niederlanden, Brasilien, Israel, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Singapur sowie mit Schweizer Botschaften und spezifischen globalen Initiativen zusammen.
Wir sehen keine Konkurrenten, sondern nur Partner. Angesichts der Grösse der Herausforderung ist der einzige Weg nach vorne die Zusammenarbeit, bei der wir uns gegenseitig in unseren Stärken ergänzen. Die Transformation des Lebensmittelsystems ist ein Mannschaftssport, und deshalb steht die Zusammenarbeit im Mittelpunkt unseres Handelns.
Welche Rolle spielt Swiss Food & Nutrition Valley bei dieser Transformation?
Das Valley schafft die Voraussetzungen für wirkungsvolle Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette – und befähigt Menschen, Teil der Transformation zu werden.
Unser Ansatz ist systemisch: Wir arbeiten entlang der gesamten Wertschöpfungskette und darüber hinaus. Es geht darum, Organisationen miteinander zu verbinden, aber auch Menschen zu befähigen. Wir möchten alle inspirieren, anerkennen und unterstützen, innovativ zu sein und sich an der Transformation zu beteiligen. Ein grosser Teil unserer Arbeit besteht darin, den Akteuren zu helfen, mit einer Vielzahl unterschiedlicher Interessengruppen zusammenzuarbeiten, nicht nur mit ihren üblichen Kollegen. Diese ganzheitliche Denkweise ist unerlässlich, wenn wir ein wirklich zukunftssicheres Lebensmittelsystem aufbauen wollen.
Was sind Ihrer Meinung nach die grössten Herausforderungen für die Schweizer Lebensmittelindustrie?
Ich sehe eher Chancen als Herausforderungen. Heute wissen wir so viel mehr als je zuvor – über Landwirtschaft, Klimaauswirkungen und menschliche Gesundheit. Dieses Wissen stellt eine enorme Chance für alle Akteure entlang der Schweizer Lebensmittelwertschöpfungskette dar. Es ermöglicht uns, Lebensmittel zu produzieren, die besser für die Menschen und den Planeten sind und gleichzeitig rentabel bleiben. Langfristig werden dadurch auch enorme Kosten im Zusammenhang mit Gesundheit und Klima eingespart.
Ich glaube, dass dies die grösste Chance ist, die sich unseren Lebensmittelsystemen seit der industriellen Revolution bietet. Aber dafür müssen wir aus unseren Silos ausbrechen, neue Denkweisen annehmen und Innovationen begrüssen.
Die Konsumentinnen und Konsumenten wollen Lebensmittel, die gut schmecken, erschwinglich und praktisch sind. Aber dafür zu sorgen, dass sie auch gesund, nachhaltig und fair sind, liegt in der Verantwortung des gesamten Ökosystems. Landwirte müssen die richtigen Rohstoffe anbauen, Technologieunternehmen müssen innovativ sein, um Salz, Zucker und Fett zu reduzieren, ohne den Geschmack zu beeinträchtigen, Hersteller müssen ansprechende Produkte entwickeln, Einzelhändler müssen diese zugänglich machen, Regierungen und Städte müssen innovationsfreundliche Richtlinien und Beschaffungspraktiken entwickeln, Schulen und Arbeitgeber müssen aufklären und die Medien müssen inspirierende Erfolgsgeschichten verbreiten.
Alle Akteure haben eine Rolle zu spielen. So können wir die Gesellschaft als Ganzes dazu befähigen, sich besser zu ernähren. Dazu müssen wir alle als Team zusammenarbeiten.
Wie geht Swiss Food & Nutrition Valley diese Herausforderungen an?
Wir identifizieren Bereiche, in denen wir die grösste Wirkung erzielen können, die mit unserer Mission und den Interessen unserer Partner übereinstimmen. Auf dieser Grundlage entwickeln wir Kooperationsprojekte.
Hier sind drei Beispiele:
❱ Befähigung der Bürgerinnen und Bürger zu einer gesunden Ernährung: Zusammenführung von Interessengruppen, um Möglichkeiten für einen Zugang zu nahrhaften Lebensmitteln für alle zu erörtern, Lösungen zu erproben und erfolgreiche Ansätze zu skalieren.
❱ Talent4Food: Menschen in allen Lebensphasen dazu inspirieren, sich dem Lebensmittelökosystem anzuschliessen und es zu stärken. Die Gewinnung und Förderung von Talenten ist unerlässlich, um den Wandel zu beschleunigen.
❱ Scaling Hub mit der FAO: Gemeinsam mit der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen richten wir einen Hub ein, um Schweizer Innovationen in Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu bringen. Diese Initiative schafft dort, wo es am nötigsten ist, bedeutende Auswirkungen und eröffnet gleichzeitig neue Wachstumschancen für Schweizer Unternehmen.
Jedes dieser Projekte ist so konzipiert, dass es Welleneffekte erzeugt, die den Menschen, dem Planeten und der Schweizer Wirtschaft zugutekommen.
Swiss Food & Nutrition Valley hat kürzlich sein fünfjähriges Jubiläum gefeiert. Was bedeutet dieser Meilenstein für Sie?
Wir haben mit kaum mehr als einer Idee auf einer Serviette begonnen. Fünf Jahre später haben wir einen florierenden Verband aufgebaut, der stetig an Mitgliedern, Einfluss und Sichtbarkeit gewonnen hat. Die Schweiz ist nun fest als Nation der Lebensmittelinnovation auf der Weltkarte verankert.
Dieser Meilenstein markiert auch den Beginn eines neuen Kapitels. Mit einem starken Fundament verlagern wir nun unseren Fokus auf die Maximierung des Partnerwerts. Indem wir unseren Partnern helfen, ihr Bestes zu geben, verstärken wir unsere gemeinsame Mission der Wirkung und Zusammenarbeit.
Und natürlich war es auch ein guter Grund, mit unserer Community zu feiern. Unsere Jubiläumsfeier spiegelte den Geist wider, der das Valley einzigartig macht – jeder trägt bei, und alle profitieren.
Die Schweiz und Dänemark gelten beide als Nationen, die für ihre Innovationen im Lebensmittelbereich bekannt sind. Wie sehen Sie die Beziehung zwischen diesen beiden Ländern?
Die Schweiz und Dänemark haben viele Gemeinsamkeiten: Beide Länder sind klein, hochinnovativ und legen Wert auf Gesundheit und Umwelt. Dänemark überzeugt mit schneller, koordinierter Umsetzung; die Schweiz punktet mit globalen Unternehmen und starker KMU-Basis.
Deshalb ist die Beziehung zwischen unseren beiden Ländern so wertvoll. Wir pflegen eine enge Partnerschaft mit Food & Bio Cluster Denmark, tauschen uns regelmässig aus und führen gemeinsame Initiativen durch. Tatsächlich wurde unsere vierteljährliche E-Mail «Investor Deal Flow», in der Schweizer Startups vorgestellt werden, die auf der Suche nach Finanzmitteln sind, durch einen dieser Austauschprozesse inspiriert. Es ist ein einfaches, aber wirkungsvolles Instrument, das zeigt, wie viel wir erreichen können, wenn wir voneinander lernen.
Was steht als Nächstes für Swiss Food & Nutrition Valley an?
Letztendlich möchten wir unsere Zusammenarbeit mit der Bundesregierung und ihren Behörden im Bereich der Transformation des Lebensmittelsystems vertiefen.
Ausserdem arbeiten wir daran, die positiven Auswirkungen unserer Kooperationsprojekte auf das Lebensmittelsystem zu messen, um sicherzustellen, dass wir Fortschritte verfolgen und uns kontinuierlich verbessern können.
Was gibt Ihnen trotz der aktuellen globalen Herausforderungen Hoffnung für die Zukunft der Ernährung?
Trotz globaler Herausforderungen bleibe ich optimistisch – denn Innovation und Zusammenarbeit geben mir Hoffnung, dass wir Ressourcen klüger nutzen und gesündere Lebensmittel produzieren werden. Gleichzeitig versetzt uns das einzigartige Ökosystem der Schweiz in die Lage, weltweit eine führende Rolle zu spielen: etablierte Unternehmen zu unterstützen, Start-ups zu fördern und Scale-ups zu fördern. Wenn wir dieses Ökosystem weiter stärken, bin ich überzeugt, dass wir sowohl hier als auch weltweit ausserordentlich positive Auswirkungen erzielen können.
Vielen Dank für den zukunftsorientierten Austausch!